kletterblatt 2010
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Kambiumschoner
Technik
... gefolgt von zwei
Ringen
Erst 1993 kam ein
findiger belgischer
Baumpfleger, François
Dussenne, auf die ein-
fache wie auch zün-
dende Idee: ein Band mit
zwei unterschiedlich gro-
ßen Ringen. (Abb. 2 a,b) Da-
mitwar es ganz einfach, das Seil
vomBoden aus nach Gebrauch wie-
der abzuziehen. Recht schnellwurde auch
eine einfacheMethode gefunden, wiemit-
telsWurfleine der Kambiumschoner vom
Boden aus eingebaut werden konnte. Ge-
nial einfach, wirkt aberwie einZaubertrick
und löst nicht nur bei Laien regelmäßig
Staunen aus, sondern ist auch bei SKT-A-
Kletterkursen eines der erstenHighlights.
Schon bald ersetzten findigeBaumpfleger
die unterschiedlich großen Ringe durch
Karabiner (Kambiumschoner „Harness“,
Abb. 3a). Ein spezieller Karabiner („Har-
ness“, Abb. 3b) mit offenem, abgerundetem
Auge ersetzt dabei den kleinen Ring. So
konnte man den Kambiumschoner pro-
blemlos in die Wurfleine einhängen, ohne
jedesMal die ganzeWurfleinenlänge durch
dieRinge ziehen zumüssen. DiesesVerfah-
ren hat allerdings einen großen Nachteil:
beim Abziehen kommt es
vor, dass die Wurfleine
aus dem offenen Auge
des Karabiners he-
rausspringt und der
Kambiumschoner
beim Abziehen des
Seiles im Baum ver-
bleibt. Helmut Schwen-
gels, ehemaliger Deut-
scher Meister und Euro-
pameister, war dies bei der
Europameisterscha f t in
Moers 2001 im Finale (Mas-
ters) zum Verhängnis gewor-
den. Dabei hatte er echte Chan-
cen auf den Sieg gehabt.
Entweder oder ...
Ringe und Harness-Karabiner
haben also zwei entscheidende
Nachteile: daman denRing nicht
öffnen kann, muss immer wieder
das komplette Seil durchgezogen wer-
den. Beim Harness-Karabiner ist die
Ringeinbuchtung nicht geschlossen, wes-
halb die Wurfleine oder das Seil beim Ab-
ziehen herausspringen kann. Mit den oben
beschriebenen Folgen.
... beides!
JohannesBilharzstießbei einerHersteller-
Messe auf den „Belay-Master“ (Abb. 4a).
Dieser Karabiner war mit einer Plastik-
klappe versehen, mit der sich der Schraub-
Verschluss sichern ließ. Amunteren Kara-
binerende bildet sich durch diese Plastik-
klappe ein kleines rundes geschlossenes
Auge. Sofort kam ihm die Idee, amKambi-
umschoner statt des kleinen Ringes diesen
Karabiner zu verwenden. Der Karabiner
Belay-Master verbindet die Vorteile eines
geschlossenenRingesmit denVorteilendes
schnellen Einklickens ins Seil. Wegen die-
ser zwei Vorteile hat er ihn „Kambiumscho-
ner mit Doppelfunktion“ genannt. Inzwi-
schen wird er unter dem Namen „Kambi-
umschoner Belay“ (Abb. 4b) vertrieben.
Stillstand ist Rückschritt
Doch Baumkletterer ruhen sich nicht auf
einem Status quo aus. Nach dem Motto
„Stillstand istRückschritt“wurdedieTech-
nik verfeinert und einige revolutionärePro-
dukte kamen auf den Markt. Mit demAuf-
kommenderKurzknotenunddesLockjack-
Sport wurde es nun immer wichtiger, die
Seilreibung zu minimieren. Deshalb lag es
nahe, das Seil über eine Rolle laufen zu las-
sen. Undwieder grübelten findigeGei-
ster, wie man das bewerkstelligen
könnte. Denn unerlässliche Vo-
raussetzung für die Akzeptanz
war, dass das System vom Boden
ein-undausgebautwerdenkonnte.
Es gab viele Bastellösungen, die
aber alle nicht befriedigten. Der an
sich mögliche Effekt wurde nie so
richtig ausgereizt, entwedermankom-
binierte den Karabiner mit einer Rolle,
wodurch das Seil nie vollständig auf der
Rolle lief und immer eine kleine, aber
spürbare Restreibung entstand (Abb. 5),
oderman ließ das Seil komplett in der Rolle
laufen, dann musste man den Kambium-
schonerwürgend einbauen und konnte ihn
nur mit vielen Tricks wieder vom Boden
ausbauen. Uli Distel, Bernd Strasser und
Hubert Kowalewski haben schon früh zeit-
gleich mit sich spreizenden Schlingen ex-
perimentiert, umdieRolle aus der Schlinge
abziehen zu können.
Abb. 2 a,b
Abb. 2b
Abb. 3a
Abb. 4a
Abb. 3b
Abb. 5
Abb. 4b
Treeclimbers Companion