kletterblatt 2010
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Zusätzlich kam noch ein weiteres Problem hinzu: alle
Stämmlinge waren mit Dohlennestern, fremden Zweigen
und zersetztemHolz vonder Linde verstopft. Der ganze un-
tere Bereich des Stammeswar damit gefüllt. Diese Füllung
musstenwir natürlich entfernen, umfruktifizierende Pilze
besser beobachten und die Stammzersetzung besser kon-
trollieren zu können. Doch dazu kam es leider nicht mehr.
Denn zwei TagenachdemletztenRückschnitt brach imun-
teren Stammbereich ein Feuer aus. Ob es Brandstiftung
war oder eine hirnlos weggeworfene Kippe, die Ursache
konnte nicht geklärt werden. Das Feuer griff schnell um
sich und wurde durch die Kaminwirkung der hohlen
Stämmlinge stark angeheizt. Zu allemÜbel schnitt
dieFeuerwehr, bei der SuchenachGlutnestern, eine
der noch verbliebenen Zugwurzeln stark an.
Da der Baum als Wahrzeichen der Stadt Ahaus
gilt, musste er erhalten bleiben. Umzu verhindern,
dass er auf die angrenzendeUmgehungsstraße fällt,
blieb uns nur dieMöglichkeit, den Baum imBoden
zu verankern. Zusammenmit Hanseatic Treework
hat die Eichhorn Baumpflege im Juli 2009 den
Baum mit Erdankern gesichert. Diese wurden in
Seilzugrichtung vier Meter tief in den Boden ge-
rammt undmit fünf Tonnen vorgespannt. Die zwei
acht-Tonnensysteme verhindern jetzt dasUmstür-
zen des Baumes auf die Umgehungsstrasse.
Waswar schuld an dieserMisere? ImNachhinein
ist es immer schwierig, dies zu beurteilen. Ver-
gleichtman jedoch alteBilder der Linde undden jet-
zigen Habitus, wird schnell klar, dass die ersten
Einkürzungen eher Kronensicherungsschnitten
glichen, nach ZTV Baumpflege, als fachlich rich-
tigen Einkürzungen. Hier wurde maßlos übertrie-
ben, dennEinkürzungen im fachlich richtigenBereich fin-
dennichtmit großenKettensägen statt. Unsere Linde zeigt
jedoch exemplarisch, dass Bäumen nicht zu viel zugemutet
werdendarf. AuchVeränderungen imBaumumfeldmüssen
die vitalen Interessen des Baumes berücksichtigen. Eine
langfristige Planung vonMaßnahmen am Baum, die auch
das Baumumfeld berücksichtigt, kann die Lebensdauer
eines Baumes enorm erhöhen. Teilweise wird bei Pflege-
maßnahmen immer noch viel zu stark geschnitten, sodass
die Beeinträchtigung durch den Schnitt oft höher ist als
seine positiveWirkung. Vor jederMaßnahmemuss deshalb
die Frage stehen: „Wie erhalte ich langfristig denBaumge-
sund und verkehrssicher?“ Zu Recht sind wir stolz auf un-
sere alten Bäume. Deshalbmüssenwir bei aktuellenMaß-
nahmennicht nurwenige Jahrenachvorneplanen, sondern
inGenerationen denken. Also Baumpfleger, plant langfris-
tig, beratet engagiert und übernehmt Verantwortung!
Dipl.Ing.,BaumpflegerundAusbilder
beiderMünchnerBaumkletterschule
InhabervonEichhornBaumpflege
Jürgen Unger