mals zu sehengehofft hatte.Wirwarenalle
        
        
          durchnässt und schmutzig und total ge-
        
        
          schafft, aber unsere Lebensgeister waren
        
        
          bei diesemAnblick sofort wieder geweckt.
        
        
          InNullkommanichts hatte Ian einenStock
        
        
          für die Big Shot ausgesucht. Nach einigem
        
        
          sorgfältigen Zielen und erfolgreichemLei-
        
        
          neneinbau hatten wir auf der Alerce, die
        
        
          uns am gesündesten schien, die ersten
        
        
          Seile in etwa 30Metern Höhe eingebaut.
        
        
          Wir führten umfangreiche Messungen in
        
        
          bis zu40MeternHöhe durch. Als das getan
        
        
          war, beganndasTeamdamit, einkomplexes
        
        
          System auszutüfteln, mit dem sie per Seil-
        
        
          kamera über die Baumkronenhinweg foto-
        
        
          grafieren wollten. Ihnen gelang eine tolle
        
        
          AufnahmemitweitemBlickbis hinunter in
        
        
          das alte Flusstal. Eine ganze Woche blieb
        
        
          das Team in diesem Waldstück, zu essen
        
        
          gab’s hauptsächlich Reis, Haferflocken,
        
        
          Tunfisch und Erdnussbutter, doch das
        
        
          störte niemand, alle waren einfach nur eu-
        
        
          phorisch inGegenwart dieserBäume.“ (Zak
        
        
          Bently)
        
        
          
            Auf dem Weg zur Forschungsstation
          
        
        
          
            Huinay
          
        
        
          Eine Woche später war das Team am 14.
        
        
          Mai im Hafen von Hornopiren angekom-
        
        
          men. Auf einer riesigen Eisenfestung von
        
        
          Fähre schifften sie sich ein in Richtung
        
        
          nördliches Patagonien. Nach fünf Stunden
        
        
          Fahrt bei stetig strenger werdender Kälte,
        
        
          umgeben vonden schneebedecktenBergen
        
        
          der Anden, rauschendemWasser und un-
        
        
          erforschten Urwäldern, stoppte der Kapi-
        
        
          tän das Boot. Jetzt konnte man ein nicht
        
        
          allzuweit entferntesMotorengeräusch hö-
        
        
          ren. Dies hier war also ihr nächster Stopp.
        
        
          Die Landungsbrücke der Fähre wurde hi-
        
        
          nuntergelassen in das eisige graueWasser,
        
        
          und ein großes Schlauchboot, das von
        
        
          einem ortskundigen Forschungsassisten-
        
        
          ten ausHuinay gesteuertwurde, der früher
        
        
          seinemVater beimAlercenfällen imWald
        
        
          geholfen hatte, füllte sichmit vielen, vielen
        
        
          Gepäckstücken voller Seile, Kamera- und
        
        
          Kletterausrüstung. Nach einer kurzen und
        
        
          leicht stürmischenFahrt über den500Me-
        
        
          ter tiefen Fjord vorbei an Seelöwen und
        
        
          Delfinen erreichte das Team die Huinay-
        
        
          Feldforschungsstation undwurde dort von
        
        
          der Forschungsassistentin Emma Plotnek
        
        
          begrüßt.
        
        
          „Man brachte uns in das Dorf Huinay, wo
        
        
          manuns Betten gabund einewarmeMahl-
        
        
          zeit bei einemder örtlichen Lachszüchter.
        
        
          Huinay zählte etwa 25 Einwohner, fünf
        
        
          Häuser und eine Schule für elf Kinder, die
        
        
          aus den umliegenden Fjorden kamen. Das
        
        
          Dorf ist ein stiller Ort, wo die Zeit langsam
        
        
          vergeht und die rauen, wildenWälder sich
        
        
          finster über den Schneehorizont erheben,
        
        
          scheinbar alles Leben dominierend.“ (Wal-
        
        
          do Etherington)
        
        
          
            Neue Freunde und viel neues Wissen
          
        
        
          AmnächstenTag zeigtemandemTeamdie
        
        
          Forschungsstation und es begann, das ört-
        
        
          liche Alercenvorkommen zu erkunden und
        
        
          nach noch unerforschtenBaumgruppen zu
        
        
          suchen. Auf Empfehlung von Emma und
        
        
          Cersi, einer lebhaften Chilenin, die den
        
        
          Haushalt führte, entschlossen sie sich, ei-
        
        
          nen ortskundigen Führer namens Borris
        
        
          anzuheuern. Mit seinem Boot, das gerade
        
        
          mal über dasWasser glitt, einemMotor, der
        
        
          gerade noch so funktionierte und seiner
        
        
          Wollmütze, die sich aus unerfindlichen
        
        
          Gründen auf seinem Hinterkopf hielt, er-
        
        
          wies sich Borris als ein wahrer Hort des
        
        
          Wissens. Sein tief gefurchtes Gesicht und
        
        
          seine verwitterte dunkle Haut ließen ihn
        
        
          aussehen, als hätte die Wildnis ihn sich
        
        
          höchstpersönlich geschnitzt. Allein seine
        
        
          großenbraunenAugen, diemehr lachtenals
        
        
          seinMund über demmarkantenKinn, ver-
        
        
          rieten seine freundliche und sanfte Natur.
        
        
          
            Das Tal des Unbekannten
          
        
        
          Um acht Uhr am nächsten Morgen sahen
        
        
          sie sein Boot von der anderen Seite des
        
        
          Fjords herüberkommen, eswirktewirklich
        
        
          winzig vor dieser eindrucksvollen Szene-
        
        
          rie. UmneunUhr legte er an, begrüßte das
        
        
          Teammit wachen Augen und einem kräf-
        
        
          
            Vom Leben
          
        
        
          
            der Menschen
          
        
        
          
            mit der Wildnis
          
        
        
          In der westlichenWelt wird
        
        
          der Wert eines Baumes in
        
        
          erster Linie materiell be-
        
        
          messen, was zum größten
        
        
          Teil auf unsere Entfrem-
        
        
          dung von der Wildnis zu-
        
        
          rückzuführen ist. Viele
        
        
          Arten sterben aus, noch
        
        
          bevor sie von der Wissen-
        
        
          schaft entdeckt wurden.
        
        
          Weniger als ein Prozent
        
        
          aller Pflanzen wurde auf
        
        
          seinen medizinischen Nut-
        
        
          zen hin untersucht und der
        
        
          größte Teil der irdischen
        
        
          Pflanzenarten lebt in den
        
        
          Kronen der Bäume. Bäume
        
        
          ernähren eine immense
        
        
          Vielfalt an Leben innerhalb
        
        
          ihres Wuchssystems. Ein
        
        
          Baum imWald ist nicht ein-
        
        
          fach ein Baum, sondern ein
        
        
          ganzes Ökosystem, die
        
        
          Menschen müssen erfah-
        
        
          ren, wieviel Leben in einem
        
        
          Baum stattfindet, um zu
        
        
          begreifen, wofür wir ei-
        
        
          gentlich kämpfen. Eine po-
        
        
          sitive Beziehung der Men-
        
        
          schen zu den Bäumen ist
        
        
          unabdingbar. Bäume soll-
        
        
          ten uns dazu inspirieren,
        
        
          uns für sie einzusetzen und
        
        
          Stellung zu beziehen, um
        
        
          das mit Abstand wunder-
        
        
          barste freistehende natür-
        
        
          liche Gebilde der Welt zu
        
        
          schützen. Letztendlich kön-
        
        
          nen Bäume ohne Men-
        
        
          schen leben, aber Men-
        
        
          schen nicht ohne Bäume.“
        
        
          Waldo Etherington
        
        
          kletterblatt 2014
        
        
          
            42
          
        
        
          Forschung
        
        
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