Kletterblatt 2013 - page 40

Baumpflege
Praxis
kletterblatt 2013
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Nun konnte ich anfangen, den
Efeu Stück für Stück vom Stamm
abzuschälen. Dafür stieg ich mit
Steigeisen und Stahlkurzsiche-
rung amStammhoch, noch kaum
Gewicht im Systemseil. Je höher
ich kam, desto spitzer wurde der
Winkel und destomehr verlagerte
ich mein Gewicht ins Systemseil.
Dabeimusste ichmit der Dynamik
in der Traverse (Bewegung der
Ankerpunkte, Dynamik des Tra-
versenseils, leichte Dynamik des
Systemseils) arbeiten, jede Ar-
beitsposition ausbalancieren. Ich
wollte mich schließlich nicht zu
sehr auf die zu fällende Kiefer
stützen, da deren Standfestigkeit
ja fragwürdig war.
Wir haben in dem Zusammen-
hang mit dem Gedanken gespielt,
den Baum als Ganzes mit zwei
Seilen nach hinten abzuspannen.
Das hätten wir in dem Fall, dass
wir Kronenteile oder Stamm-
stücke hätten abseilen müssen,
auch getan. Wir hatten aber das
Glück, dass die Rasenfläche unter
der Krone groß genug war, umden
Baum ohne Rigging abzutragen.
Und je höher ich mich vorarbeite-
te, desto leichter war der Baum ja
und desto mehr zog ich den Baum
mit Hilfe der Traverse entgegen
der potenziellen Fallrichtung.
So hat dann auch alles einwand-
frei geklappt. Ich konnte die Äste
einzeln abwerfen und mich dank
der Traverse relativ bequem posi-
tionieren. Die einzige knifflige Si-
tuationwar noch, dieRestkrone an
meinemdann beinahewaagerech-
ten Systemseil vorbei an die rich-
tige Stelle am Boden fallen zu las-
sen.
Diskussion
Es gab eine Sicherheitslücke in
der Aktion: Ich war mit Stahlseil-
kurzsicherung am Stamm gesi-
chert und nur mit textilen Siche-
rungselementen an der Traverse.
Dadurch hätten folgende Probleme
auftreten können:
Problem 1: Bei der Arbeit mit der
Motorsäge im Baum muss immer
eine aktive Stahlseil-Sicherung
vorhanden sein, nicht bloß eine
Stahlseil-Positionierhilfe. Die
Stahlseil-Kurzsicherung war in
diesem Fall bloß eine Positionier-
hilfe, da der zu fällendeBaumnicht
als Ankerpunkt zählte.
Problem 2: Was wäre passiert,
wenn der Baum wirklich gekippt
wäre? Die Traverse, das Klettersy-
stem, mein Gurt, die Kurzsiche-
rung hätten das Gewicht des ge-
samten Baumes tragen müssen.
Meine Hüfte wäre von dem Zug
zwischen D-Ring (Klettersystem)
und seitlichen Haltepunkten
(Kurzsicherung) gequetscht wor-
den. Hätte die Traverse gehalten?
Wo wäre die Bruchstelle?
Mögliche Lösungen:
1. LockJack mit Stahlseilstrop
statt SpiderJackwürde Problem
1 beheben.
2. Kurzsicherung mit Sollbruch-
stelle (ca. 3 kN) würde Problem
2 beheben.
Resümee
Der zeitliche Aufwand hielt sich
in Grenzen. Der Auf- und Abbau
der Traverse dauerte ca. drei Per-
sonenstunden. Eine Hubarbeits-
bühne für die Aktion zu mieten,
wäre sicherlich teurer gewesen,
zumal aufgrund der beschrie-
benen Geländebeschaffenheit die
Abtragung kaumdurchführbar ge-
wesen wäre.
Unser Arbeitseinsatz dauerte ex-
akt von 8:45 Uhr bis 13:00 Uhr.
Link zum Video
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M. A. Philosophie,
Baumpfleger mit SKT-B
Inhaber von Baumliebe, Berlin
Jakob von Recklinghausen
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