kletterblatt 2013
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Baumklettern
Report
D
ie Woche vor dem 9. Februar 2009 war besonders
ruhig und besonders heiß, sogar für das austra-
lische BundeslandVictoria, das nun schon das zehnte
Dürrejahr in Folge erlebte. Die Thermometer zeigten
regelmäßig Temperaturen über der 40 Grad Celsius
Marke, Rundfunkstationen und Zeitungen veröffent-
lichten andauerndWarnungen vor schweren Unwet-
tern und Buschfeuern. Leider haben die Menschen
ein kurzes Gedächtnis und das Land hatte seit
Aschermittwoch 1986 keine große Naturkatastrophe
inFormvonBuschfeuernmehr erlebt. So kames, dass
viele Vorwarnungen schlicht ignoriert wurden.
Das Ökosystem der hochgewachsenen und kühlen
Regenwälder, die sich über dasHochland vonVictoria
erstrecken, ist sehr interessant. Die dominante
Baumart ist der Eucalyptus regnans, ein ungewöhn-
lich schnell wachsender und sonnenhungriger Hart-
holzbaum. Es handelt sich zugleich um die größten
Angiospermae (Bedecktsamer) derWelt. Der höchste
bekannte Eucalyptus regnans, der Centurion, ist fast
100Meter hoch. Man erzählt auch von 134Meter ho-
hen Bäumen, die gefällt wurden, als die Siedler das
Land urbar machten undWeideflächen anlegten.
Ein so hoher, sonnenhungriger Baumhat einen sehr
ungewöhnlichen Lebenszyklus. Junge Regnans ha-
ben es schwer, sich in der kühlenUnterholzregion des
gemäßigt temperiertenRegenwaldes durchzusetzen.
Stattdessen tendiert diese Baumart zu konkurrie-
renden Jungbaumbeständen, die sich in Alter und
Höhe gleichen. Es erfordert wirklich katastrophale
Buschfeuer, um die existierenden Bestände auszu-
lichten und den Weg für die nächsten Eucalyptus
regnans Generationen zu bereiten.
Genau so ein Feuer raste imFebruar 2009 über das
Hochland und zerstörte fast den gesamten Regnans
Wald. Die Bäume selbst scheinen so zuwachsen, dass
sie diese schnell-läufigen, extremheißen Feuer gera-
dezu provozieren: Die Streifen ölgetränkter Rinde, die
jedes Jahr abgeworfen werden, bilden einen dicken,
hochentzündlichen Teppich auf demWaldboden, der
nach ein paar wenigen heißen und trockenen Tagen
zumwahren Pulverfass wird.
Ureinwohner beherrschten den Umgang
mit Buschfeuern
In Australien ist die Buschfeuer-Ökologie in man-
cher Hinsicht noch eine recht junge Wissenschaft
und wird an den Universitäten erst seit den 1970er
Jahren gelehrt. Die australischen Ureinwohner ih-
rerseits nutzen das Feuer bereits seit mehr als 40.000
Jahren, um örtliche Öko-Systeme zu regulieren: Re-
gelmäßige kleine Feuer scheuchen das Wild auf und
reduzieren das brennbareMaterial, während ein ein-
ziges großes Feuer denCharakter der Umgebung ver-
ändert und für weitere offene Landschaften sorgt,
die das Jagen leichter machen. Die einwandernden
Europäer nahmen den Ureinwohnern das Land weg
und veränderten dadurch dieses Muster der Busch-
feuer-Ökologie, das sich bis dahin über zehntausende
Jahre bewährt hatte. Stattdessen bauten die neuen
Bewohner des Victoria Hochlands Holzhäuser und
vereinzelte Städte zwischen den hohen, stark feuer-
gefährdeten Bäumen.
In den Augen der Europäer sind die australischen
“Kampf oder Flucht” Empfehlungen imUmgang mit
Buschfeuer gefährdetenGebieten ganz schön verwe-
gen. SowerdenAnwohner in dicht bewaldetenGebie-
ten angehalten, eine Art „Buschfeuer-Überlebens-
strategie“ vorzubereiten, die darauf beruht, dassman
entwederHaus undHof verlässt, bevor das Feuer naht
oder zuhause bleibt und versucht, „das Feuer zu be-
kämpfen“. Dabei ist natürlich klar, dass es nicht da-
rum gehen kann, so ein Feuer tatsächlich zu löschen,
sondern vielmehr darum, mehrere Sprinklersysteme
und Wasserschläuche zu aktivieren und damit die
Flammen zu löschen, die unmittelbar imoder umdas
Haus herum aufflackern.
Der Schwarze Samstag war Ergebnis
moderner Ignoranz
Die Buschfeuer vom “Schwarzen Samstag”, be-
sagtem 9. Februar 2009, waren besonders intensiv,
liefen sehr schnell und so todbringend wie nie zuvor.
Beobachter beschrieben eine einhundert Meter hohe
Feuerwand, die sich mit etwa 80 km/h vorwärtsbe-
wegte. „Das war wie eine Explosion, die sich den Hü-
gel hinauf bewegte“, erinnert sich einer der Über-