kletterblatt 2013
48
Baumklettern
Report
lebenden, „und da war so ein unglaubliches lautes
Brausen, ein wahres Flammenheer.“ Versuche, das
Feuer einzudämmen und zu kontrollieren, mussten
aufs Geratewohl unternommen werden und zeigten
praktisch keineWirkung. Mehrere Feuerwehrtrupps
wurden eingeschlossen, die Männer starben in den
plötzlich auftretendenFeuerwalzen. Die ausgegebene
„Kampf oder Flucht“ Philosophie mündete in einer
tödlichenKatastrophe, denn viele unvorbereitete Be-
wohner waren in ihren strohtrockenen Häusern ge-
blieben oder standen in Staus auf völlig verstopften,
von dunklemRauch erfüllten Straßen. 176Menschen
starben und einige blühende Städte wurden völlig
zerstört. Das Buschfeuer verwüstete am Ende etwa
4.500 QuadratkilometerWaldfläche.
In den Tagen nach dem Feuer boten Baumkletterer
aus dem ganzen Land ihre Hilfe an, um Straßen frei-
zuräumen, umgestürzte Bäume zu beseitigen und
zahllose feuergeschädigte Bäume zu fällen, die an den
öffentlichen Straßen standen und für deren Stabilität
niemand mehr garantieren konnte. Diese Bäume bo-
ten eine ganzeReihe technischerHerausforderungen,
denenBaumkletterer normalerweise nicht unbedingt
begegnen: So hatte das Feuer beispielsweise in allen
möglichenBaumhöhlengebrannt, das Stammesinnere
ausgehöhlt und riesigeBaumstämme zurückgelassen,
die im Prinzip nur noch aus dünnen, geschwärzten
Holzwänden bestanden. Ohne jede Möglichkeit, die
Fällrichtung zu bestimmen, war man beim Fällen
dieser Bäume auf möglichst exakte Schätzungen von
Neigungswinkel und Gewicht angewiesen – und na-
türlich auf deutlich gekennzeichnete Rückzugswege!
Schadbäume überprüfen: Entfernen oder retten?
Sobald die erstenAufräumungsarbeiten abgeschlos-
sen waren, gingen die Dinge langsamer voran und
wurden zugleich schwieriger. Die staatliche Parkver-
waltungNational ParksAuthority beauftragte einUn-
ternehmen aus Melbourne namens The Tree Works
damit, die weiträumigen Nationalparks um die Stadt
Kinglake herumzu überprüfen und die Bäume, die an
Wegen, Straßen, Schienen oder Leitungen wuchsen,
entweder zu entfernen oder zu sichern. Aufgrund der
großen Bedeutung dieses berühmten Nationalparks
als Biotop und Ökosystem war es besonders wichtig,
so viele noch stehende Bäume zu retten wie irgend
möglich. So wurden anstelle einer radikalen Fällung
Bäume mit erheblichen Schäden in der oberen Krone
nicht einfach gefällt, stattdessenwählteman denEin-
stieg in die Bäume und schnitt sie dann zurück bis zu
demPunkt, wo sie als sicher gelten konnten.
Für mich als Baumkletterer war das die bislang
größteHerausforderungmeiner Laufbahn. In einigen
dieser Bäume waren die Schäden so frisch und so
groß, dass allein der Aufenthalt in der Nähe dieser
Bäume als beträchtliches Risiko erachtet werden
musste, von einemKlettern in diesenBäumen einmal
ganz zu schweigen. Die Bäume wurden von einem
TeamanBeratern kontrolliert, die notwendige Arbei-
ten empfahlen und den jeweiligen Standort im GPS
markierten.Wennwir dann etwa zweiWochen später
kamen, um die Arbeiten auszuführen, war meist ein
beträchtlicher Teil des Baumes verfallen, und das al-
lein in zwei Wochen. Für uns war das eine wichtige
Erinnerung daran, bei den verbleibenden Bäumen
umso vorsichtiger zu sein.
Klettern und sichern
über „Schwebende Ankerpunkte“
Wann immermöglich, versuchtenwir, „schwebende“
Ankerpunkte an Seilen zu installieren, die über be-
nachbarte Bäume geführt wurden. Auf diese Weise
würdeman imFall eines Bruchs in demBaum, in dem
man gerade arbeitete, frei schwingen, idealerweise im