Kletterblatt 2013 - page 34

kletterblatt 2013
34
veröffentlicht, wo und wie geschnittenwerdenmuss,
damitman denBaumwenig schädigt.Wenn beimAb-
schneiden eines Astes vor dem Stammgewebe ge-
schnitten wird (Astkragen), dieses also unverletzt
bleibt, dann fault erst mal hauptsächlich das abge-
storbeneAstgewebe ab bis zumehemaligenKnospen-
ansatz. Es gibt in den meisten Fällen eine Faulstelle,
die jedoch nicht unbedingt sonderlich schlimm ist,
solange nur Gewebe vomweggeschnittenen Ast ver-
letzt wurde (natürlich abhängig von der Baumart).
Leider scheint es jedoch hinsichtlich Schnittzeiten
nur Versuche zu geben, bei denen nicht fachgerecht
geschnitten bzw. immer auch Stammgewebe verletzt
wurde. So verwundert nicht, wenn die Fäule sich
nach Verletzungen schnell in axialer Richtung aus-
breitet. Das hat aber nichtsmit “best practice“ zu tun.
Die Vorgaben in der ZTV sollten sich aber an „best
practice“ orientieren.
Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse bezüglich
Einfluss der Schnittzeit auf Abschottung
Ich habe oben behauptet, die Aussage „Abschottung
und Wundreaktionen verlaufen günstiger für den
Baum, wenn während der Vegetation geschnitten
wird“ ist nicht hinreichend wissenschaftlich abgesi-
chert. „Stopp, das ist doch erwiesen“, werden viele sa-
gen, „dazu gibt es Untersuchungen! Schließlich ver-
weisen die Fachbücher darauf.“ Dochmeine Praxiser-
fahrung sagt mir etwas anderes. Deshalb bin ich die-
ser Sache nachgegangen.
Bei meiner Suche nach Grundlagen-Forschungsar-
beiten zu diesen Aussage, bin ich immer wieder auf
Verweise zu Shigo, Liese und Dujesiefken gestoßen.
Dabei fiel mir ein Artikel in einer seriösen wissen-
schaftlichenFachzeitschrift auf. Der Titel klang viel-
versprechend: „Einfluss der Verletzungszeit auf die
Wundreaktionen verschiedener Laubbäume“*. Wun-
derbar, dachte ich, der Titel formuliert genau das, wo-
rum es geht. Diese Arbeit versprach mir die Antwort
darauf zu geben, auf welcher (vermeintlich) wissen-
schaftlichen Grundlage die Aussagen der ZTV und
der anderen Fachbücher und die gängige Lehrmei-
nung in der Baumpflege beruhen. Und in der Tat, nach
Durchsicht des Artikels halte ich es für durchaus
möglich, dass diese Arbeit wirklich die Grundlage für
die Schnittzeitempfehlungen ist. Denn in der Zusam-
menfassung steht klar und deutlich: „Bei Pflegemaß-
nahmen an Laubbäumen sollten dahermöglichst kei-
ne Verletzungenwährend der Ruheperiode erfolgen.“
Praxisfremd und fraglich
Die Herleitung dieser Schlussfolgerungen hat mich
jedoch schockiert. Die Versuche waren praxisfremd
(dicke Bohrungen durch den ganzen Stamm bis ins
Mark) und statistisch ohne signifikante Ergebnisse
(zu wenig Wiederholungen, zu viele nicht vergleich-
bare Unterschiede). Trotzdemwurden amEnde Aus-
sagen abgeleitet, die nicht im Geringsten durch die
Versuche abgedeckt waren. Aus nicht praxisrele-
vanten „Bohrungen“ wurden allgemeine „Verlet-
zungen“ und „Astungen“ und so wird dann still und
heimlich daraus „Baumschnitt im Allgemeinen“. Es
wurden grafischeDarstellungen präsentiert, die nach
meinen statistischen Kenntnissen nicht geeignet
sind, Aussagen abzuleiten bzw. anders interpretiert
hätten werden müssen. Obwohl die Versuche statis-
tisch keine klaren Ergebnisse lieferten, wurden die
optischenUnterschiede in denGrafiken freizügig in-
terpretiert und gedeutet, ohne dabei deutlich auf die
eingeschränkte Aussagekraft hinzuweisen.
Unsauberer Vergleich
Eine weitere Unstimmigkeit in der Darstellung der
Autoren ist fürmich der Vergleich vonMessergebnis-
sen, diem. E. nicht vergleichbar sind. Die Ausbreitung
von Fäulen bei Verletzung zu unterschiedlichen
Zeiten wurde miteinander verglichen, obwohl die
Versuchszeiträume der einzelnen Messungen stark
voneinander abwichen. Das wird nur am Rande er-
wähnt und nicht weiter diskutiert. Mir aber erscheint
dieses Detail sehr wichtig. Schließlichmacht es doch
einen Unterschied, ob eine Verletzung 16 Monate alt
ist oder nur acht.
Kurze Versuchsdauer
Die Versuchsdauer selbst war auch sehr kurz, ver-
glichen mit den abweichenden Versuchszeiträumen.
Auch das fand keine Würdigung in der Ergebnisdis-
kussion. Baumpflege geht vonnachhaltiger Pflege aus,
da wäre es schon wichtig zu wissen, ob nach 10 Jah-
ren dieUnterschiede kompensiert oder verstärkt wer-
den. Zumindest hätte ich mir gewünscht, dass diese
Frage aufgegriffen und erörtert wird. Und auch hier
die Frage: Wie wirkt sich fachgerechter Schnitt aus?
*DUJESIEFKEN,D.;PEYLO,A.;LIESE,W.,1991:EinflußderVerletzungszeitaufdieWundreaktionen
verschiedenerLaubbäumeundderFichte.Forstwiss.Centralblatt,HamburgundBerlin,110, (6),
371-380.
1...,24,25,26,27,28,29,30,31,32,33 35,36,37,38,39,40,41,42,43,44,...132
Powered by FlippingBook