Kletterblatt 2013 - page 29

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Diese eher theoretischen Zweifel, gepaart mit mei-
nen jahrelangen praktischen Erfahrungen* haben
mich veranlasst, nach der Quelle dieses Schnittzeit-
dogmas zu suchen. Ich bin auf eine Untersuchung ge-
stoßen, die Ursache für die derzeitige Lehrmeinung
bezüglich optimaler Schnittzeit sein könnte. Aller-
dings sind die in dieser Untersuchung gemachten
Schlussfolgerungen nachmeinemstatistischenWis-
sen fehlerhaft (s. Bericht auf Baumpflegeportal.de),
damit nicht belastbar oder aussagekräftig und somit
als unumstößliche Lehrmeinung nicht haltbar. Nicht
deshalb, weil die Erkenntnisse über Abschottungs-
prozesse und Wundreaktionen nicht stimmen, son-
dern deshalb, weil der vermeintliche positive oder
negative Einfluss unterschiedlicher Schnittzeiten
nicht klar belegt ist, schon gar nicht über längere
Zeiträume.
Ist die erste Aussage für mich lediglich nicht erwie-
sen, so sind dieAussagen 2 und 3meiner Ansicht nach
definitiv falsch! Denn diese Aussagen lassen sich in
der Praxis sehr leicht widerlegen. Und wenn die The-
orie nicht mit der Realität übereinstimmt, dann ist
mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht die Realität
falsch, sondern die Theorie. So einfach. Es gibt Fälle,
wo „Schnittmaßnahmen während der Vegetation“
dem Baum schaden und ihn sogar zum Absterben
bringen können. Und es gibt genügend Beispiele, die
zeigen, dass sich Schnittmaßnahmen in der angeb-
lichen „Ruhephase imWinter“ günstig für den Baum
auswirken, auch langfristig. Ich habe auf
Baumpfle-
geportal.de unter der Rubrik „Baumschnittzeit“
einige Beispiele ausführlicher dargestellt.
Physiologisch sensible Vegetationsphasen
Wer die Schere oder Säge zumSchnitt ansetzt, sollte
wissen, was imBaum zumSchnittzeitpunkt vor sich
geht. Schnitt bedeutet immer eine Verletzung des
Baumes und eine Störung des Stoffwechselsystems.
Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, zu
wissen, was im Baum zum Schnittzeitpunkt gerade
abläuft:
Blattlose Phase:
Die inneren Abwehrreaktionen
des Baumes sind verlangsamt bis eingestellt. Je frü-
her geschnitten wird, desto länger dauert die
„schutzlose“ Phase. Schaderreger habenmehr Zeit,
Unheil anzurichten, sind aber in dieser Zeit auch
meist nicht sehr aktiv. Was überwiegt, kann nicht
so einfach beantwortet werden.
Blattlose Phase:
Die Schutzzonen werden durch
Schnitt zerstört. Schutzmechanismen helfen dem
Baum, die kalte Jahreszeit ohne Blätter (und damit
Assimilate) zu überstehen und trotz verlangsamter
und eingeschränkter Stoffwechselaktivität zu
überleben. Physiologische Schäden durch fehlenden
Schutz sind mit Sicherheit höher, je länger diese
schutzlose Phase andauert.
* Zum Erfahrungsschatz gehören auch vor 33 Jahren von mir gepflanzte Obstbäume, die von Be-
ginn an nur von mir geschnitten wurden und die nach herkömmlicher Lehrmeinung zu 100 % ge-
schädigt waren, weil 90 % des Kambiums am Stamm in einem strengen Winter in der Jugendphase
von Hasen abgefressen wurde s. Bericht auf Baumpflegeportal.de)
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