Kletterblatt 2011 - page 97

Tschaikowski. Die Grabmäler sind kostbare Stein-
metzarbeitenmit faszinierenden religiösenOrnamen-
ten. Anatolij macht uns klar, dass es ihn viel Mühe ge-
kostet habe, die langenWege durchdie russischeBüro-
kratie zu gehen, umeineErlaubnis zu erhalten,mit uns
an diesembesonderenOrt arbeiten zu dürfen.
Nun kamen auch Anatolijs Leute, die Kletterausrü-
stung und die Werkzeuge in einemRollkoffer hinter
sich herziehend. Volodja überraschte uns mit einem
lautstarken „Donnerwetter noch mal“, passend zum
Donner das stark und lange gerollte „r“. Alles lachte.
Volodja kam inKarlMarx Stadt, demheutigenChem-
nitz, auf dieWelt undhat noch einigeBrockenDeutsch
nach Petersburg mitgenommen.
Jasper undLutz schnitteneine ausladendeStieleiche.
Der breite, filigraneWuchs der Baumkrone erstreckte
sichweit über dieGräbermit ihrenwertvollenGrabmä-
lern. Sie beschlossen, dieKrone imFeinastbereichvor-
sorglich zu entlasten. Die leichte Auslichtung imKro-
nenmantel stellte höchste Ansprüche an ihre baum-
pflegerische Kompetenz, da die Ästhetik dieses Ge-
samtbildes, der schöne Baum mit den bedeutenden
Grabmälern, unbedingt erhalten werden musste. Was
nicht nur hier gelang, dennAnatolij ho norierte unsere
Schnitt- undKletterarbeitmitwohlwollendenWorten.
Später zeigt uns Anatolij einen von ihm sanierten
Baumauf demFriedhof. Er hatte bei einer altenLinde
das gesamte Faulholz entnommen. Der mächtige
Stamm des Baumes ist bis in eine Höhe von ca. 10 m
vollkommen ausgehöhlt. Die Öffnungen hat er mit
zugeschnittenen und entsprechend der Stammform
gebogenen Blechen verschlossen. Ein signifikantes
Beispiel für die hier noch übliche Baumchirurgie.
Russischer Abschied
AnatolijsLeute ludenuns später zueinemAbschieds-
essen ein. Inmitten der alten, dicht zusammenstehen-
denGrabsteinewird einkleinesTischchen gedeckt. Es
gab russischen Gemüsekuchen, Huhn, Brot, Früchte
undTee. Auf denuns umgebendenGrabmahlen befin-
den sich ganz besondere Ornamente und Inschriften,
die einen heiteren, beinahe ironischen Umgang mit
demTod bezeugen. DieKarikaturen vonTotenköpfen,
die entweichenden Seelen, die Schlange der Unend-
lichkeit, ein gebrochener Anker, verbinden sich imEr-
leben mit der Herzlichkeit unseres Zusammenseins
und machen dieses Picknick an diesem ungewöhn-
lichenOrt zumHöhepunkt der Reise.
Und dannwar es auch schon vorbei. Bis zumTag des
Abschiedes hatten wir noch zwei Tage Zeit, in denen
wir mit Anatolij die Stadt besichtigten und aufs Land
fuhren. Der Abschied begann, wie sollte es auch an-
ders sein, mit einem von Ludmila undMascha vorbe-
reiteten Festessen. Anatolij verteilte Geschenke und
mit Sekt stießen wir auf unser Austauschprojekt an,
mit der Absicht, dieses fortzusetzen. Dann also auf ein
Wiedersehen inHamburg.
www. .baumdienst-nortis.de
Tim Schröder
Lutz Hofmann, Jasper Bauer
hintere Reihe von links nach rechts: Jasper Bauer, Tim Schröder, Lutz Hoffmann
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