Kletterblatt 2011 - page 107

son besetzt und so ist Andreas
rund um die Uhr damit beschäf-
tigt, Klettergurte zu überprüfen,
Fragen zu beantworten und Tipps
für effizientere Abläufe zu geben.
Das gute Feedback und die Be-
geisterung der kletternden Kli-
maschützerinnen und -schützer
sind sein Lohn; einige wollen gar
nicht mehr runter und bleiben so
langwiemöglich imBaumhängen.
Inspiration für Aktivisten
Das erlebnisorientierte Baum-
klettern auf dem Klimacamp darf
keinesfallsmit einemAktionstrai-
ning für BaumbesetzerInnen ver-
wechselt werden, weshalb die
Workshop-Ausschreibung ent-
sprechend formuliert worden war.
Unter den Camp-Teilnehmern be-
fanden sich jedoch auch Aktions-
kletterer von Robin Wood. Natür-
lich nahmen diese nicht an den
Workshops teil, doch nutzen sie
gern dieGelegenheit, sich ausführ-
lich mit einem Baumkletterprofi
über technische Details austau-
schen zu können. Sicher nahmen
sie auchden ein oder anderenwert-
vollenTipp für ihreAktivitätenmit
nachHause.
Für den vorletzten Abend rief
eine anonyme Klozeitung zu einer
Aktionsnacht auf. Am nächsten
Morgen tauchten Bilder vom Hol-
zerWasserturmauf, demWahrzei-
chen eines längst verschwundenen
Dorfes unmittelbar an der Ab-
bruchkante: ein riesengroßes Ban-
ner „RWE entmachten!“ prangte
rund um die Kuppel in über 100m
Höhe und war mehrere Kilometer
weit sichtbar. Die Frage nach den
Verantwortlichen blieb unbeant-
wortet, doch man munkelte, dass
die verantwortliche Aktionsgrup-
pe auch von der neu gewonnenen
Baumkletter-Erfahrung inspiriert
wordenwar.
Baumpflege kann Brücken schlagen
Während sichdasCamp-Gesche-
hen zu großen Teilen auf dem Ta-
gungshaus-Gelände abspielte, war
der Baumkletter-Workshop am
Straßenrand positioniert und er-
öffnete so hervorragendeKontakt-
möglichkeiten zu denwenigen ver-
bliebenen Anwohnern. Der Besit-
zer des alten Wasserschlosses ne-
benan, kam ins Camp und machte
uns auf die Eschen aufmerksam,
deren Kronen schon viel zu dicht
an seineHauswand gerücktwaren.
Mit der Leiter käme er da nicht
mehr ran, ob das wohl mit den Sei-
len da ginge? So wurde das Kon-
zept für die letzteWorkshopstunde
des heutigen Tages spontan modi-
fiziert und der Veranstaltungsort
an die Gemäuer des denkmalge-
schützten Guts verlegt. Jetzt durf-
te der besonders eifrigeWorkshop-
teilnehmer Simon unter Andreas’
Anleitung einmal so richtig weit
nach oben klettern. Er war stolz,
als Assistent dem Profi bei der
Pflege der denkmalgeschützten
Schlossmauer helfen zu können.
Auch der Eigentümer und seine
Gäste waren begeistert. Niemand
fragte jedochnachdemSinndieses
Pflegeeinsatzes für Bäume, denen
in wenigen Jahren buchstäblich
der Boden unter den Wurzeln weg
gerissen werden soll. Es war wie
stiller Protest gegen den Braun-
kohletagebau und die scheinbare
Allmächtigkeit von RWE.
Es folgt ein schöner, skurriler und
emotionsgeladener Abend, bei dem
Tagebau-Betroffene und Klima-
camperinnen und -camper plötz-
lich vereint durch einenBaumpfle-
ge-Einsatz in einem dem Abriss
geweihten Wasserschloss sitzen
und endlose Gespräche über Bor-
schemich, Schützenfeste und Um-
siedlung führen.
Am letzten Tag gab es dann das
„Straßenfest trotz(t) Kohlenpest!“.
Hier war das Kinderklettern die
große Attraktion für die Anwoh-
ner. Obwohl, der Name trügt: die
lokale Presse ertappte auch zwei
CDU-Politiker der Gemeinde beim
Klettern im Baum und machte
dann das Bild zum Aufhänger
ihres Artikels.
Zukunftsperspektiven
Ausgehend vomKlimacamp 2010
der BUNDjugendNRWistmittler-
weile ein breites Bündnis verschie-
denerVerbände und Initiativenwie
Klima!Bewegungsnetzwerk, attac
und EineWelt NetzNRWgewach-
sen. Unter demMotto „Wir lassen
uns nicht verkohlen!“ streitet das
Bündnis im rheinischen Braun-
kohlerevier aktiv für ein lebens-
wertes Klima und will auch 2011
ein großes gemeinsames Klima-
camp veranstalten. Hoffentlich
wieder mit einem Baumkletter-
workshop.
Dipl.-Ing. Forstwirtschaft (FH)
Jugendbildungsreferentin
bei der BUNDjugendNRW
andrea.schaupp@
bundjugend-nrw.de
Andrea Schaupp
kletterblatt 2011
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