Kletterblatt 2011 - page 102

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Sugimura San hatte sich vorgenommen, Handwerker aus
den unterschiedlichsten Gewerken zusammenzubringen,
damit sie Gelegenheit erhalten, ihr traditionelles Wissen
und Können teilen und austauschen zu können. Die mei-
sten traditionsbewussten Handwerker leben und ar-
beiten zurückgezogen, weit ab vom gesellschaftlichen
“Mainstream” und Modeerscheinungen aller Art. Genau
darin liegt aber auch die Gefahr, dass altes Wissen und
Können verloren geht und dass genau diese Menschen
oft wenig Rückhalt oder Gelegenheit finden, sich mit
Gleichgesinnten auszutauschen.
So war es das zentrale Anliegen des ersten Kesurokai im
Jahre 1995, nicht nur uralte Techniken am Leben zu er-
halten, sondern auch die Handwerker untereinander zu
vernetzen. Heute hat die japanische Kesurokai-Bewegung
rund 1500 Mitglieder und veranstaltet zweimal jährlich
an wechselnden Orten in Japan ein Treffen. Jedes dieser
Treffen gruppiert sich um einen immer wieder neu aus-
getragenen Wettbewerb: Es gilt, möglichst lange und
hauchdünne Späne von einem Holzbalken abzuhobeln,
als Test für die Hobel- und Schärfkünste der Handwerker.
Baumpfleger, Tempelbaumeister und eine alte Tradition
Rückbesinnen
auf handwerkliches Können
Kesurokai :
E
rik Timme ist Baumpfleger. Vor seiner Baumpfle-
gezeit hatte er Tischler gelernt und sich nach der
Lehre auf dieWalz begeben, auf die traditionelleWan-
derschaft der Gesellen durch das Land – oder auch um
dieWelt. Sinn undZweckder traditionellenWalz ist es,
sichumzusehen, seinKönnenzuvertiefen, seinWissen
auszubauenund den eigenenHorizont zuweiten.
Für Erik Timme führte diese Zeit unter anderemzu
einer Suche nach dem Ursprung seines Werkstoffes,
dem Holz. Er begann, sich mit Bäumen zu befassen,
wie sie wachsen, welches Holz welche Eigenschaften
ausbaut, wie es das tut und woran man das erkennt.
Erik wurde Baumpfleger, genauer: European Tree
Worker. Seine Kletterscheine machte Erik in der
Münchner Baumkletterschule. Heute verbringt er sei-
ne Zeit gleichmäßig verteilt auf dem Baum, in der
Werkstatt und mit seiner Familie. Mehr auf dem
Baum ... umehrlich zu sein.
Auf der Walz freundete Erik sich mit demWander-
gesellen Hannes Schnelle an. Hannes kam auf seiner
Walz bis nach Japan, wo er das großeGlück hatte, dem
hochangesehenen Tempelbaumeister Sugimura San
Kesurokai: der Begriff aus dem Japanischen bedeutet: “Zusammen hobeln”. Unter den Freunden alter Handwerkskunst
und internationaler Zusammenarbeit steht Kesurokai heute aber für noch viel mehr: Kesurokai heißen auch die Tref-
fen, die der angesehene Tempelbaumeister Sugimura San 1995 ins Leben gerufen hat. Ein Baumpfleger aus Deutsch-
land hat an einem Kesurokai teilgenommen. Ein Bericht von Britta Arnold.
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