Ich messe was, was Du nicht siehst.
Als ich noch ganz neu in der Branche war, habe ich
mit Kollegen verschiedene Seminare zur Baumbeur-
teilung besucht. Der Baumkletterermuss immer wis-
sen, ob sein Ankerpunkt sicher ist und er sollte seine
Kunden fachkundig beraten können. Grundlage für
die Beratung ist nicht der Kundenwunsch, sondern in
erster Linie die objektive Einschätzung des Baumzu-
standes. Wir waren neugierig und erhofften uns viel.
Auf den Seminaren entstand aber bald der Eindruck,
dass Energie und Intellekt des jeweiligen Veranstal-
ters zu einemViertel dafür verschwendetwurden, den
Konkurrenten in ein schlechtes Licht zu stellen oder
aus der Bahn zu werfen. Je nach Art der Darbietung
hat man sich entweder amüsiert oder um einen Teil
der Seminargebühren betrogen gefühlt. Am Stehim-
biss wäre das alles in Ordnung, aber dass gestandene
Wissenschaftler zu Schlammschlachten auf Privat-
fernsehniveau antreten, war schon deprimierend.
Nicht weniger deprimierend ist der bekannte Drang
zur Lagerbildung. Baumpfleger und –kontrolleure, die
eigentlichwissenwollen, wie es umdenBaumbestellt
ist, folgen einem Guru und seiner Methode und wie-
derholen Phrasen, anstatt andereMethoden und Ihre
Möglichkeiten zu hinterfragen.
Wenn ich bei der Beurteilung eines Baumes mit der
visuellen Einschätzung zu keiner sicheren Aussage
komme, muss ichmich fragen, welcheEigenschaft des
Baumes überprüft werden soll und mit welcher Me-
thode und welchem Gerät das (am besten) geht. Erst
danach sollte die Frage stehen, welcher finanzielle
Aufwand betrieben werden muss, auf welche Geräte
imUmfeld problemlos zurückgegriffen werden kann
und ob ich dieHersteller, Vertreiber und Benutzer der
Geräte gut leidenkann.Mit einemThermometer kann
ich nicht dasGewicht einer Schale Erdbeeren bestim-
men und der Finger im Kochtopf kann nur zwischen
warmund kalt unterscheiden, nicht aber zwischen 41
und 42 Grad Celsius.
K-Mart sucks …
Dieses Zitat stammt aus dem Film „Rainman“ mit
Dustin Hoffmann und steht für die pauschale Verur-
teilung einer Supermarktkette. Dieseswiederkehren-
de Zitat stellt eine humoristische Komponente des
Films dar, ist aber imWesentlichen die ungerechtfer-
tigte Verurteilung der Kette aufgrund einer geistigen
Behinderung des Haupthelden.
Was hat das mit den Baumkletterern zu tun? Mitte
der 90er Jahre kam ein Großteil der Ausrüstung aus
denUSA, weil die europäischenHersteller in der klei-
nen Nachfrage keinen Markt sahen. Damals war es
existenziell, sich rechtzeitig mit Reserven zu versor-
gen. Es war egal, wo man kaufte, wichtiger war,