kletterblatt 2010
85
material und Kletterutensilien zu
den jeweiligen Berggipfeln. Selten
waren wir jedoch nach der Fahrt
schonamZiel. Geradediehöchsten
Stellen sind nicht erforscht. Daher
mussten wir bis zu unseren Zielen
noch etliche Gebirgszügemit hun-
derten anstrengenden Höhenme-
tern überwinden, auf Pfaden, die
mit Macheten ins Dickicht ge-
schlagen wurden und mitunter so
steil wurden, dass ich mich schon
anleinen wollte. Und das beladen
mit 30 kgGepäck. Dennwir hatten
nicht nur die Ausrüstung zu
schleppen: wer mehrere Tage in
der Wildnis leben will, braucht
Wasser. Fandenwir dann einen ge-
eigneten Lagerplatz, richteten wir
uns häuslich ein. Wichtig war der
gemeinsameEss- undArbeitsplatz
und eine trockene Schlafmöglich-
keit. Wenn es im Regenwald mal
regnet, dann richtig. Regelmäßig
flossen richtige Bäche durch unser
Lager. IndenNebelwäldernder hö-
heren Lagen wird es nie trocken.
DieWolken ziehen durch denWald
und kondensieren an jedem Blatt
zu Tropfen und wegen der Moos-
polster ist der ganzeWaldbodenein
voll gesogener Schwamm. Hatman
sich aber an die dauernde Feuch-
tigkeit gewöhnt, gibt es nichtsMys-
tischeres als eben diesen Nebel-
wald, derwohl auch deshalbElfen-
wald genannt wird.
Da Frösche in der Nacht rufen,
deshalb leichter zu finden sind und
auch Echsen und Schlangen im
Schlaf nicht einfach schnell ver-
schwinden, sobald sie einenbemer-
ken, fanden die Sammelaktionen
meist nachts statt. Tagsüber berei-
tetenwirWege vor bzw. plantendie
Routen oder untersuchten die in
der Nacht zuvor gefangenen Tiere.
Abends warteten wir dann am
Ende derWege bis dieDämmerung
hereinbrach, ummit Stirnlampen
auf dem Rückweg die Vegetation
abzusuchen. Interessanterweise
entdecktmannachts imLichtkegel
derLampemehrTiere als tagsüber,
wenn das Auge gar nicht weiß, wo
es hinschauen soll. DasKlettern zu
den Fröschen war schwierig, weil
wir aus Sicherheitsgründennachts
natürlich kein Seil hoch einbauen
konnten. Somusstenwir nachts zu-
erst hören, in welchem Baum der
Frosch saß und am nächsten Tag
das Seil einbauen. In der folgenden
Nacht konntenwir uns dannauf die
Suche machen. Durch den dichten
Bewuchs war das Einbauen des
Seils auch am Tag nicht einfach.
Einmal verklemmte sich beim Ab-
ziehen der Kambiumschoner in
dreißigMeterHöhe und konnte nur
mit viel Geduld undGewackel wie-
der nach unten befördert werden.
Trotz dieser Widrigkeiten gelang
es uns, einige Tiere in den Baum-
kronen nachzuweisen. Z. B. den
Frosch
Isthmohyla picado
aus Ju-
rutungu, der meinen Freund bei
einer früheren Expedition immer
angequakt oder ausgelacht hatte,
aber nie sichtbar gewordenwar.
So verbrachten wir mehrere Wo-
chen auf verschiedenen Gipfeln
zwischen 1.200 und 3.400 Höhen-
metern, umgeben vonBaumfarnen,
Orchideen, LianenundgroßenBäu-
men. Wir sahen Kolibris, Glasfrö-
sche, Salamander, Anolis, aber auch
Opossums undGürteltiere.Manch-
mal mussten wir Giftschlangen
vom Zelt schütteln oder wurden
von unzähligen blutrünstigen In-
sekten geplagt. Auch das Dengue-
Fiber ergriff einen von uns, die Ka-
meras kapitulierten vor der Feuch-
tigkeit und wir mussten spüren,
dass man auch im tropischen Ne-
belwald frieren kann. Doch eswur-
den viele Daten gesammelt und all
diese Eindrücke und Erlebnisse in
einem uns Europäern so fremdem
Ökosystem machten es zu einem
echten Abenteuer!
Bedankenmöchte ichmichbei der
FirmaFreeworker für dieBeratung
und Komplettierung der Ausrü-
stung, bei meiner Familie und den
Schwiegereltern für ihre Unter-
stützung, sowie den beiden Dokto-
randen A. Hertz und S. Lozkat für
die Möglichkeit, an Orte zu kom-
men, die kein Reisebüro bietet.
Weitere Infos unter
gelernterLandschaftsgärtner
undBaumpfleger
Andreas Uselis