kletterblatt 2010
        
        
          
            89
          
        
        
          DieLabortestswaren jedoch eindeutig ge-
        
        
          wesen: keine Mantelverschiebung! Was
        
        
          passt den Baumkletterern nicht? Erst die
        
        
          genauere Analyse der Tests machte deut-
        
        
          lich, die Prüfung hatte nichts mit der Pra-
        
        
          xis des Baumkletterns zu tun. Die Belas-
        
        
          tungen durch das permanente Melken des
        
        
          Klemmknotens durch den Baumkletterer,
        
        
          der mit vollem Körpergewicht im Knoten
        
        
          hängt, war den Entwicklern nicht gegen-
        
        
          wärtig, weil unbekannt.
        
        
          Doch Edelrid gab nicht auf. Sie hatten
        
        
          richtig erkannt, dass hier ein neuer Markt
        
        
          entstand, der gute Wachstumszahlen er-
        
        
          warten ließ. Und da wollte man vorne mit
        
        
          dabei sein. Also ging man die Sache noch
        
        
          einmal an. Jetzt aber mit der Bereitschaft,
        
        
          die Baumkletterseile nicht nur als kleine
        
        
          Variante der Bergsportseile zu betrachten,
        
        
          sondern als eigenständige Produktlinie.
        
        
          Von Anfang an bezog man Praktiker und
        
        
          Fachhändler in die Entwicklung mit ein.
        
        
          Die Konkurrenzseile aus denUSAwurden
        
        
          analysiert und die Erfordernisse für die
        
        
          Anwender studiert. Axel Benk kümmerte
        
        
          sich um die Materialbeschaffung, suchte
        
        
          und fand die technisch optimale Seilfaser
        
        
          für den Bau des neuen Seiles. Tauglichkeit
        
        
          für Klemmknoten und Lockjack, Knotbar-
        
        
          keit, Mantelverschiebung, Griffigkeit,
        
        
          Spleißbarkeit, Seilgewicht, Bruchlast, alles
        
        
          wurde von Andreas Wagner aus der Ent-
        
        
          wicklungsabteilung unter die Lupe genom-
        
        
          men und optimiert. Wolfgang Scholz, Ver-
        
        
          kaufsleiter der Abteilung Safety, hielt
        
        
          engen Kontakt zu Anwendern und Fach-
        
        
          händlern. Das Seil wurde schon im Ent-
        
        
          wicklungsstadium von Baumkletterern
        
        
          ausgiebig getestet und bewertet.
        
        
          2002 war es dann soweit: Das neue 12
        
        
          mmX-P*-Seil ging als Baumkletterseil an
        
        
          den Start. Von Anfang an fand es Gefallen
        
        
          bei den Baumkletterern und verdrängte in
        
        
          Europa die amerikanischen Seile von Platz
        
        
          Eins. Geringe Mantelverschiebung, Stei-
        
        
          figkeit für den Lockjackeinsatz bei gleich-
        
        
          zeitig guter Geschmeidigkeit für Klemm-
        
        
          knoten, geringes Gewicht und geringe
        
        
          Feuchtigkeitsaufnahme, kaum Krangel-
        
        
          neigung und gutes Abriebverhalten zeich-
        
        
          neten das Seil aus. Lediglich die vernähten
        
        
          Endaugen störten viele Baumkletterer. Sie
        
        
          waren von amerikanischen Seilen schlan-
        
        
          ke und geschmeidige Spleiße als Seilaugen
        
        
          gewohnt. Fachhändler wie
        
        
          Drayer undFreeworker re-
        
        
          agierten auf diese feh-
        
        
          lende Lücke, entwickel-
        
        
          ten Spleißverfahren für
        
        
          das X-P* und stellten
        
        
          diese nach erfolgreicher
        
        
          CE-Zertifizierung erst-
        
        
          malig 2004 auf den
        
        
          Augsburger Baumpfle-
        
        
          getagen vor.
        
        
          Nach ein paar klei-
        
        
          neren technischenWei-
        
        
          terentwicklungen 2005
        
        
          machte sich die Ent-
        
        
          wicklungsabteilung von
        
        
          Edelrid 2009 erneut da-
        
        
          ran, das Seil zu überarbei-
        
        
          ten. Man entwickelte ein
        
        
          neues Verfahren zum Test
        
        
          derMantelverschiebung, um
        
        
          die Praxis noch besser nach-
        
        
          vollziehen zu können. Die
        
        
          Konstruktionwurde verändert,
        
        
          ein weiteres Kernelement hin-
        
        
          zugefügt, das Material der Kern-
        
        
          zwirne nochmals verbessert. Über
        
        
          ein spezielles hydrothermischesVer-
        
        
          edelungsverfahren (Thermo Shield),
        
        
          welches die Garne einem Schrump-
        
        
          fungsprozess unterzieht, wurden die
        
        
          SeileigenschaftenwieDehnbarkeit, Elasti-
        
        
          zität  undGeschmeidigkeit optimiert sowie
        
        
          die Haltbarkeit undWiderstandsfähigkeit
        
        
          erhöht. Zu keinemZeitpunktwurde verges-
        
        
          sen, die Seilprototypen in der Praxis aus-
        
        
          giebig durch ausgewiesene Baumkletter-
        
        
          profis zu testen. Man hatte aus der Vergan-
        
        
          genheit gelernt.
        
        
          2010 geht dieses neue Baumkletterseil an
        
        
          den Start. Und schon jetzt scheint klar zu
        
        
          sein: Die Verbesserungen setzten das Tüp-
        
        
          felchen auf das “i”. Das zumindest scheint
        
        
          der Namenszusatz im neuen Produktna-
        
        
          men auszudrücken: X-P*e. Und weil das
        
        
          Jahr derMarkteinführungmit derFußball-
        
        
          weltmeisterschaft in Südafrika zusam-
        
        
          menfällt, hat Edelrid den Seilfarben „Ger-
        
        
          many“, „Madeira“, „Jamaika“ nochdieFarb-
        
        
          zusammenstellung „Südafrika“ hinzuge-
        
        
          fügt. Ob das neue Baumkletterseil von den
        
        
          Baumkletterern zumWeltmeister erklärt
        
        
          werden kann, das wird sich allerdings erst
        
        
          noch herausstellenmüssen.