Kletterblatt 2014 - page 93

kletterblatt 2014
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Ausland
Report
da sie imvergangenen Jahr bereits
eine Ausbildung auf fortgeschrit-
tenemNiveau erhalten hatten. Die
Ziele des zweiten Trainings rich-
teten sich nach den individuellen
Anforderungen der jeweiligen
Wissenschaftler für ihre For-
schungsarbeit in den Baumkro-
nen. Es wurden weiterhin Auf-
stiegstechniken sowie das Baum-
klettern vermittelt – um sich in
hohen Bäumen sicher bewegen zu
können. Es mussten aber auch
Möglichkeiten erarbeitet werden,
umvonBaumzuBaumzuklettern,
die Lichteinstrahlung zu messen,
zur Erforschung von Schling-
pflanzen, Lianen und Epiphyten
und zur Ernte von Orchideen. Des
Weiteren wurden GPS-Punkte
ausgewählt, umdie genaue Positi-
on zu bestimmen. Diese neuen
Möglichkeiten für ihre Forschung
in der Höhewaren für dieWissen-
schaftler ein großer Antrieb.
Die Bedeutung des Trainings vor
Ort liegt darin, dass sich Teilneh-
mer direkt mit den Einschrän-
kungen und Bedingungen der Um-
gebung sowie der Architektur der
Bäume auseinandersetzen. Die
Ausbildung unter realen Arbeits-
bedingungen ist enorm wichtig
und erfüllte außerdemdie Erwar-
tungen der Teilnehmer. Die Kon-
frontation mit Schwierigkeiten,
die Fragen der Forscher und der
Austausch mit den Baumkletter-
ern erlaubten es, für auftretende
Probleme schnell sachbezogene
Lösungen zu finden. DenWissen-
schaftlern eröffneten sich neue
Forschungshorizonte.
Erkundung des riesigen Ebogo
Wir hörten von einem riesigen
Baumsüdlich vonMbalmayo, drei
Kilometer vomkleinenDorf Ebogo
entfernt. Die Silhouette dieses
Baumes überragte dasBlätterdach
des ausgewählten Waldgebietes.
Nach einer eineinhalbstündigen
Kanufahrt wurde die Gruppe mit
all den Schwierigkeiten, die das
Baumklettern im tropischen Um-
feld bereithält, konfrontiert.
B
ei Mbalmayo, südlich von Ya-
oundé gelegen, versammelten
sich zumerstenTraining drei Dok-
toranden derKamerunerUniversi-
tät Yaoundé, ein englischer Spezia-
list für Schlingpflanzen imRegen-
wald und für Bionik (Übertragung
bestimmter Eigenschaften von
Pflanzen in die Technik) und ein
belgischerForscher des IRD(Insti-
tut de recherche pour le développe-
ment). Insgesamt ein sehr ge-
mischtes, aber hoch motiviertes
Team. Sie waren zwar alle sehr
vertraut mit den tropischen Wäl-
dern ... aber nur vomBoden aus!
DerWunsch, ihrForschungsobjekt
– denBaum– auch aus derHöhe zu
entdecken, verlieh ihnenFlügel. Sie
setzten zumHöhenflug an und er-
zielten in zweieinhalbTagen große
Fortschritte. Die Teilnehmer
lernten selbständigWurfleinen im
Baumzupositionieren, sichereAn-
kerpunkte auszuwählen und die
Aufstiegstechnik am Einfachseil.
Am dritten Tag gelang allen Teil-
nehmern der Aufstieg in einen 35
Meter hohenBaum, wobei auchdie
erstenKlettererfahrungen gesam-
melt wurden. Automatismen wa-
ren zwar noch nicht vorhanden,
aber der Fortschritt der Gruppe
war enorm. Für das Forscherteam
war dieEntdeckung der Baumkro-
nen eine Art Offenbarung, die ih-
nen neue Ansätze und Erkennt-
nisse für ihreForschungsarbeit er-
öffnete. InZukunftwerden sie eine
ganz neue Perspektive in ihre For-
schungmit einbeziehen können.
Im Herzen des Waldes
Der zweite Teil der Mission fand
östlich von Yaoundé in Lomié in
einem Waldstück namens „Area
51“ (51. Satellitenbild des Sektors)
statt. Zehn Tage verbrachte die
Gruppe imWald, es wurde in Zel-
ten und Hängematten übernach-
tet, um nah an der (Baum-)Reali-
tät unddemArbeitsgebiet derWis-
senschaftler zu sein. Drei der an-
wesenden, kletternden Forscher
verfügten schonüber guteKletter-
erfahrung im tropischen Umfeld,
Um die tropischen Regenwäl-
der besser verstehen und schüt-
zen zu können, müssen For-
scher und Wissenschaftler hoch
hinauf in die Baumwipfel. Im
November 2013 machten sich
zwei französische Arboristen
der Organisation EnQuête
d‘Arbres auf nach Kamerun. Die
Aufgabe: Wissenschaftler im
Baumklettern in tropischen Ge-
bieten zu trainieren und ihnen
technische und praktische Lö-
sungen für auftretende Pro-
bleme in den Bäumen näher zu
bringen. (Jérémie Thomas)
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