kletterblatt 2014
        
        
          
            102
          
        
        
          Ausland
        
        
          Report
        
        
          renwir raus, umriesige Ebenenmit riesigen Sanddü-
        
        
          nen zu entdecken. Durchaus Spaß hatten wir beim
        
        
          Brettern mit den Geländewagen, Barfuß-Sand-Lau-
        
        
          fen oder beim Sandboarden – Wintersport auf Ara-
        
        
          bisch.
        
        
          An einer Stelle in derWüste standenwir plötzlich vor
        
        
          einer riesigen, hohen Felswand. Ein gut 40 Meter
        
        
          breiter Tunnel verschwindet dort imBoden. Jeweiter
        
        
          man über das Geröllfeld hinabsteigt, umso weniger
        
        
          Müll liegt dort. Denn wo kein Auto hinkommt, da ist
        
        
          auch kein Saudi und deshalb auch kein Müll! Man
        
        
          steigt gute 60 Meter tief in diese Riesenhöhle und
        
        
          steht unten plötzlich vor klarem, angenehm kaltem
        
        
          Wasser. Wenn man im Wasser untertaucht, kann
        
        
          man nur erahnen, dass sich diese Röhre noch ziem-
        
        
          lich weit in den Berg hineinziehen muss. Recht un-
        
        
          heimlich ... Für uns war es außer einer Abkühlung im
        
        
          Wasser aber auch der perfekte Überhang – die Höh-
        
        
          lendeckewar quasi noch viel interessanter: perfekter
        
        
          Fels über tiefemWasser,  angenehmkühle Tempera-
        
        
          tur und Schatten. Einfach genial. Wir kletterten und
        
        
          plantschten einige Zeit herum, bis wir wieder zurück
        
        
          in die Realität mussten: heiß, sandig und vermüllt.
        
        
          Bei unserem zweiten Besuch nahmen wir unsere
        
        
          Kletterschuhe mit – um tief unter der Wüste Deep-
        
        
          watersoloing zu betreiben – schon verrückt.
        
        
          Immer wieder kommt man bei den Ausflügen an pri-
        
        
          vaten Anlagen der Prinzen vorbei. Dort herrscht Lu-
        
        
          xus und Völlerei bis zum Gehtnichtmehr. Mitten in
        
        
          der Wüste komplette, künstliche Grünanlagen, Ra-
        
        
          sen, kleineWälder, Seen, vollklimatisierteReithallen
        
        
          undPrivatzoos. Teilweisewird für dieWasserversor-
        
        
          gung bis zu 1.300Meter tief gebohrt oder dasWasser
        
        
          über viele Kilometer durch Pipelines bis zumAnwe-
        
        
          senbefördert. Arbeiter halten immer alles bereit, falls
        
        
          der jeweilige Prinz mal vorbeikommt.
        
        
          Da ich begeisterter Sportkletterer bin,
        
        
          suchte ich denKontakt zu einer Grup-
        
        
          pe internationaler Sportkletterer, die
        
        
          mir auch einige sehr schöne Ecken
        
        
          zumFelsklettern zeigtenundmich auf
        
        
          Wüstentrips mitnahmen. U. a. beklet-
        
        
          terte ichmit einemGriechendenFaisals Pinacle: eine
        
        
          gute 140 Meter hohe Felsnadel mitten in der Wüste.
        
        
          Wir SportklettererwareneinbunterHaufenaus allen
        
        
          Ecken und Religionen der Welt. Ab und zu kamen
        
        
          auchMädelsmit zumKlettern. Verwunderlich, denn
        
        
          ich hatte geglaubt, dass die einzigen Frauen, mit de-
        
        
          nen wir in unserer Zeit in Arabien reden sollten, die
        
        
          Stewardessen auf dem Hin- und Rückflug wären.
        
        
          Doch abseits von den Straßen oder in den abgesperr-
        
        
          tenWohngegenden, den sogenanntenCompounds, wo
        
        
          Polizei undReligionspolizei nicht patrouillierten, gab
        
        
          es ein kleines Stück unserer Normalität. Auch für die
        
        
          Frauen selbst, die zwar saudisch waren, aber in den
        
        
          USA studiert hatten und es auch anders kannten.
        
        
          Nach dem Kletterausflug, auf demWeg zurück zum
        
        
          Parkplatz, versteckten sich die Mädels wieder unter
        
        
          ihren Abayas, wurden von ihren Fahrern abgeholt
        
        
          und verschwanden wieder in einer Parallelwelt.
        
        
          
            Nach insgesamt vier Monaten in diesem Land, was teil-
          
        
        
          
            weise wie ein Aufenthalt auf einem anderen Planeten
          
        
        
          
            erschien,
          
        
        
          ging es wieder zurück nach Hause. Es war
        
        
          ein großes Abenteuer, man hat viel erlebt und einen
        
        
          großen Berg an neuen Erfahrungen gesammelt. Es
        
        
          gab viele Dinge, die einen verwunderten und erstau-
        
        
          nen ließen: Es ist ein Land der krassesten Gegensät-
        
        
          ze. Auf der einen Seite eines der reichsten Länder der
        
        
          Welt, auf der anderen Seite fast 35 % Arbeitslosen-
        
        
          quote und Armut bei den vielen Arbeitern. Während
        
        
          des Ölboomswurden viele ausländische Arbeitskräf-
        
        
          te und Ingenieure ins Land geholt, danach wurde es
        
        
          versäumt, eigene Landsleute auszubilden. Auch die
        
        
          Modernisierung und „Verwestlichung“ des Landes
        
        
          kollidiert an vielen Stellenmit der Religion. Teilwei-
        
        
          se fühlte man sich, als wäre man imMittelalter, nur
        
        
          eben mit iPhone und 8-Zylinder-Kamelen.
        
        
          Die meisten Probleme hatte ich per-
        
        
          sönlichmit demGefühl der ständigen
        
        
          Beobachtung. Überall gab es eine
        
        
          große Polizeipräsenz, ständig wurde
        
        
          man angesprochen und „kontrolliert“.
        
        
          Selbst wenn man sich nachmittags
        
        
          mal mit einemBuch in einen der Parks
        
        
          imDQ setzte, wurde man von Polizei-