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kletterblatt 2014
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kabular lässt sich in alle erdenk-
lichen Richtungen ausführen.
? Sie arbeiten manchmal aber auch
ganz ohne Boden oder Wand?
Das ist richtig. Freischwebend im
Raum haben wir zusätzlich eine
ganz neue Herausforderung ent-
deckt und somit noch ganz andere
Bewegungen geschaffen. Dem
Tänzer sind in luftigenHöhen kei-
ne Grenzen gesetzt.
? Wodurch unterscheidet sich
TANZwerk Vertikal eigentlich von
der Zirkusartistik?
Ich habe großen Respekt vor den
Leistungen eines jeden Zirkusar-
tisten, der sich in luftigeHöhen hi-
naufwagt. Jedoch liegt mein Fo-
kus mehr auf der künstlerischen
Auseinandersetzung in der Bewe-
gung. Der Attraktionsgehalt und
die Artistik stehen dabei eher im
Hintergrund.
? Wie sind Sie auf die Idee mit den
Baumklettergurten gekommen?
Als Choreograf bin ich versucht,
den Tanz immer wieder neu zu er-
finden. Auf der Suche nach einer
Möglichkeit, die artistische Form
des Vertikaltanzes mit zeitgenös-
sischem Bewegungsvokabular zu
vereinen, wurde schnell klar, dass
wir da andere technische Umset-
zungsmöglichkeiten brauchen.
Das technische Know-howder In-
dustriekletterer und das Equip-
ment der Baumpfleger haben es
uns dann schließlich ermöglicht,
diesen maximalen Bewegungs-
spielraum zu erreichen.
? Was hat sie zum Vertikaltanz
inspiriert?
Schon als ichmit der Choreografie
anfing, langweilte mich der kon-
ventionelleBühnenaufgang. Schon
damals wollte ich die Tänzer von
oben aus demSchnürboden auf die
Bühne hinunter kommen lassen.
Leider ist das in denmeisten The-
atern aus technischen Gründen
nur bedingt oder gar nicht mög-
lich. In Zusammenarbeit mit Bert
Melzig von Vertikal Works (Hö-
henarbeiten) kann ich mir heute
meine eigenenBühnen suchenund
meine Ideen auch sicherheitstech-
nisch umsetzen. Die Münchner
Baumkletterschule vermittelte
uns das Know-how zur Kletter-
technik und Freeworker unter-
stützte unsmit den für dieseTech-
nik erforderlichen Baumkletter-
gurten.
? Neben dem Tanz kommt es also
auch auf den Aspekt Sicherheit
und technische Machbarkeit an.
Was ist hier zu beachten?
Die erste Herausforderung liegt
darin, das richtigeGebäude zu fin-
den. Man muss sich Flächen su-
chen, die hoch genug sind, um als
Bühne geeignet zu sein. Und man
muss klären, ob der jeweilige Ei-
gentümer es gestattet, seinGebäu-
de als Aktionsfläche zu nutzen.
Generell muss die Aktionsfläche
zuschauertauglich sein und Mög-
lichkeiten bieten, Ankerpunkte zu
setzen, um die Tänzer an ihren
Seilen zu sichern. Diese ganzeVor-
arbeit muss mit einem Experten
erledigt werden.
? Wen wollen sie mit TANZwerk
Vertikal erreichen?
TANZwerkVertikal soll an öffent-
lichen Plätzen, an für jedermann
zugänglichen Schauplätzen ge-
zeigt werden. Zeitgenössischer
Tanz ist nicht unbedingt das, was
sich jeder einfachmal so anschau-
en oder sich dafür ein Theaterti-
cket kaufen würde. An öffentli-
chen Plätzen erreicht man unab-
hängig vom Theaterpublikum
auchMenschen, die nicht ins The-
ater gehen, um sich Tanz anzuse-
hen. Sobald die technischen Vo-
raussetzungen gegeben sind, kann
Vertikaltanz sowohl für Zuschau-
er in einer großen Arena als auch
an einer Wand im Innenhof statt-
finden.
? Was ist für Sie der nächste Schritt
mit TANZwerk Vertikal und was
wollen sie erreichen?
Ich bin ständig auf der Suche nach
Bühnen und Flächen, die für Ver-
tikaltanz geeignet sind. Es ist auch
spannend, sichwährend der Suche
mit verschiedenen architekto-
nischen Gegebenheiten zu befas-
sen. Vertikaltanz bietet für mich
eine neueMöglichkeit, denTanz in
die Architektur einzufügen. Ni-
schen, Ecken und Flächen in den
unterschiedlichsten Gemäuern
und Gebäuden erlauben es im Zu-
sammenspielmit SoundundLicht,
ein unvergleichbares Ereignis zu
entwickeln.
? Die Premiere von Tanzwerk verti-
kal war ja am 4. Mai auf der „Blau-
en Nacht“ in Nürnberg im Glasbau
des KunstKulturQuartiers zu se-
hen. Warum gerade dort und wa-
rum zur „Blauen Nacht“?
Das Motto der Blauen Nacht 2013
hieß Himmelsstürmer. Das emp-
fand ichals idealenAnlass, TANZ-
werkVertikal erstmalig einemPu-
blikumzupräsentieren. DieArchi-
tektur des Kopfbaus des KuKuQ
mit seinen Stahlkonstruktionen
eignete sich gut dafür, Anschlag-
punkte zu finden. Außerdem bot
die Transparenz und die offene
Architektur dem Zuschauer die
Möglichkeit, die Tänzer aus allen
Ebenen und aus den verschie-
denstenBlickwinkeln zu beobach-
ten.
Britta Arnold