Kletterblatt 2009 - page 26

kletterblatt
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Thema
das Spektrum an denkbaren
Schwierigkeiten ist sehr breit.
Jedes Baustellenteam kann
oder muss seinen Rettungs-
sack noch baustellenbezogen
anpassen. So könnten die
Aufstiegshilfen (Steigeisen,
Klemmen) oder ein Y-förmiges
asymmetrisches Verbindungs-
mittel mit Abseilacht für die
Rettung bei der Saatguternte
am Sack befestigt sein. Viel-
leicht entscheidet sich ein
Team dazu den Rettungssack
mit einer kleinen Doppelrolle,
einer 2. Umlenkung oder
Erste-Hilfe-Material auszu­
statten. All dies ist möglich.
Jedoch muss immer bedacht
werden, dass jede Ausrüstung
nur so gut ist, wie man damit
umzugehen weiß. Daher
haben wir uns bei der Aus-
wahl der Materialien immer
zwischen 2 Polen bewegt.
Auf der einen Seite gibt es
die Minimalisten: möglichst
wenig Materialeinsatz. Am
besten nur ein Seil, einen
Klemmknoten und einen
Karabiner. Und das ist auch
noch das Seil, welches man
sowieso dabei hat. Wozu
Extras? Dieses System ist
selbsterklärend und die Feh-
lerquote gering. Jeder, der
den Rettungssack aufmacht,
bzw. das Seil in der Hand hat,
weiß, was zu tun ist. Oder
was bei einem Rettungsfalle
zu tun wäre! Denn es gibt ein
Problem: Es wird sehr viele Si-
tuationen geben, bei denen
dieses minimalis­tische System
nicht funktioniert, weil Wich-
tiges fehlt. Ein geschulter
Kletterer wird jetzt vielleicht
etwas zaubern können, aber
das kostet Zeit und kann Feh-
ler mit sich bringen. Und
nicht jeder war in Hogwarts
oder München. Auf der ande-
ren Seite sind die Material-
fans: je mehr desto besser.
Hier noch ein Extra und dort
noch ein Zusatz. Wer diesen
Sack aufmacht und damit
umzugehen weiß, ist König
oder Königin. Weiß man nicht
Bescheid, bleibt man besser
gleich am Boden und verfolgt
von unten die Katastrophe,
zu der man dann beiträgt.
Die Münchner Baumkletter-
schule verwendet in ihren
Kursen einen Rettungssack –
und baut ihre Rettungskurse
auch darauf auf - der nahe
bei den Vorstellungen der
‚Materialfans’ ist. Von diesem
Optimum ausgehend passen
wir die Techniken dann den
Bedürfnissen der Teilnehmer
an. Und jeder Anwender kann
und muss das auf seiner Bau-
stelle auch tun. Ein Valdotain
als Klemmknoten nützt mir
nichts, wenn ich mich damit
nicht auskenne. Dann ist ein
Prusik besser, aber ich muss
um die Nachteile wissen und
sie in Kauf nehmen.
Einige Ausrüstungsgegenstände schneiden
ein brisantes Thema an: Bastelei versus Zerti-
fizierung! In unserem Sack ist z. B. ein 6m lan-
ger verstellbarer Kambiumschoner. Dieser ist
– nach bestem Wissen und Gewissen - selbst
zusammengestellt. Er besitzt kein CE-Zeichen
und entspricht als Ganzes keiner Norm. Und
trotzdem gehört er in den Sack, da es kein
derartiges zertifiziertes Produkt gibt. Selbst
wenn es den Ropeguide in entsprechender
Länge gäbe, wäre er an dieser Stelle nicht gut,
da er zu wenig Reibung hat und komplizierter
einzubauen ist. Ein Karabiner in der Umlen-
kung ist hier besser. Dieser Zustand erfordert
aber wiederum ein hohes Maß an Verantwor-
tung seitens des Anwenders.
Die Rescue Banana ist auf-
grund ihrer Zusammenstel-
lung für alle Rettungsszena-
rien ein gutes Werkzeug.
Sie ist aber nicht selbster-
klärend! Niemand kommt
umhin sich mit den einzel-
nen Komponenten und dem
Gesamtkonzept auseinan-
der zu setzen. Und das am
Besten bei einer Übung.
Zu 2.:
Die Rettung aus dem
Außenastbereich der Krone
stellt klettertechnisch mit
Sicherheit die größte Heraus-
forderung dar. Und wenn der
Verletzte nicht angehoben
werden muss, ist ein Stan-
dard-Klettersystem mit Um-
lenkung meist ausreichend.
Aber die Rescue Banana bie-
tet sinnvolle Ergänzungen.
So erlaubt z.B. der Einsatz
eines Abseilgerätes den Auf-
bau eines offenen Systems.
Offenes System? Diese Vari-
ante bei der Rettung aus dem
Baum wurde nach meiner Re-
cherche von mehreren Klette-
rern unabhängig voneinander
entwickelt. Das Grundprinzip
besteht darin, dass der Retter
den Verletzten durch sein ei-
genes Gewicht entlasten und
anheben kann. DieMünchner
Baumkletterschule hat dieses
System weiterentwickelt und
einen schematischen Ablauf
ausgearbeitet, der sich so-
wohl bei der Steigeisen-, als
auch bei der Aufstiegsseil-
und in Ausnahmefällen auch
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