Kletterblatt 2009 - page 20

kletterblatt
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Thema
lei Befahren zu. Die einzige
sinnvolle Alternative zum
wochenlangen manuellen
Abtransportieren oder dem
Schieben von Schubkarren
durch matschigen Unter-
grund stellte der Einsatz
einer Seilbahn dar.
Die örtlichen Gegebenheiten
waren hierfür nahezu perfekt:
Eine baumfreie Strecke ent-
lang des zu beräumenden
Materials mit zwei ausrei-
chend tragfähigen Bäumen
als Anfangs- bzw. Endmast.
Mit fachkundiger Hilfe (s. u.)
konnten wir die notwendige
Dimensionierung der Trag-
und Arbeitsseile sowie deren
Beschaffenheit klären. Neben-
bei sprachen wir mit diversen
Herstellern von Kleinseil-
bahnen, um die Vor- und
Nachteile ihrer Produkte aus-
zuloten. Das Ergebnis dieser
Beratungen, Planungen und
Besprechungen waren die
Anschaffung einer Laufkatze
mit Zubehör und mehrere
hundert Meter Dyneemaseil.
Mitte März konnten wir dann
zur Tat schreiten.
Die Strecke zwischen den bei-
den Endmasten betrug ca.
120 m, dabei hatten wir den
Höhenunterschied zwischen
Deichvorland und Deich zu
überwinden. An den jewei-
ligen Endmasten installierten
wir in ca. 12 m Höhe Umlenk­
rollen, durch die wir das Trag-
seil führten, welches wir auf
der Anfangsseite mittels
Spleiß und Schwerlastschäkel
am Stammfuß des nächsten
Baumes befestigten. Die End-
seite musste mit einer auf
dem Seil verstellbaren An-
schlagseinheit per Greifzug
vorgespannt werden. Die Ver-
bindung zwischen Dyneema-
seil und Greifzug hatte uns
kurzzeitig Kopfzerbrechen
bereitet. Dyneema lässt sich
bekannterweise nicht ohne
erhebliche Bruchlastreduzie-
rungen knoten. Bei einer
Vorspannung von rund einer
Tonne und der zu erwar-
tenden Lastzunahme im
Transportbetrieb fielen auch
alle gängigen Seilverkürzer
und Seilklemmen aus. Wir
hatten aber doch den retten-
den Einfall und ließen uns
eine Art Adapter schweißen.
In Gesprächen mit Andreas
Detter war klar geworden,
das wir das richtige Maß an
Vorspannung abschätzen
mussten, damit der Seilwinkel
vor den Umlenkrollen an den
Endmasten unter Volllast
nicht zu klein sein würde.
Denn je flacher der Seilwinkel
(viel Vorspannung) desto
höher die Belastung der An-
kerpunkte. Bei zu geringer
Vorspannung würde aber das
zu transportierende Holz
nicht ohne Beschädigung des
Deiches vorgerückt werden
können. Als Zugeinheit ver-
wendeten wir eine 3-t-Seil-
winde als Schlepperanbau
mit 150 m Dyneemaseil auf
der Trommel.
Nachdem die ersten Test-
fahrten mit nachfolgender
Modifikation der Vorspan-
nung und des Laufwagens
erfolgreich absolviert worden
waren, konnten wir am ersten
Tag noch ca. 35 m³ Holz rü-
cken, wobei wir Lasten bis
zu ca. 700 kg freischwebend
über die Strecke von knapp
120 m transportierten. Da wir
die Arbeiten erst am zweiten
Tag beenden konnten, muss-
ten wir die Anlage über Nacht
abbauen um keine materiel-
len Verluste zu erleiden. Hier
zeigte sich ein weiterer Vorteil
bei der Verwendung von
Dyneema, im Gegensatz zu
Seilen aus Draht. Beim Aus-
bau des Tragseiles konnten
wir einfach Wurfleinen in die
Rollen ziehen und so am
nächsten Tag mühelos und
sehr schnell die Anlage wie-
der aufbauen.
Sicherlich werden wir zukünf-
tig noch einige Verbesse-
rungen vornehmen müssen,
zusammenfassend können
wir aber feststellen, dass sich
die Zeit, die in Planung und
Umsetzung investiert wurde,
durchaus gelohnt hat.
Unser Dank gilt den Unter-
stützern des Projektes, ohne
die die Umsetzung so nicht
möglich gewesen wäre: Der
Firma freeworker, die uns mit
Rat und Tat zu Seite stand
und verschiedene Verbin-
dungen hergestellt hat, Frau
Dr. Giese-Bothe von der
Firma Geo. Gleistein aus Bre-
men, die uns ihre Zeit wid-
mete und bei der Auswahl
der Seile half, und Andreas
Detter von TreeConsult, der
uns bei der Berechnung und
Abschätzung zu erwartender
Lasten rettete
.
Olav Joswich
Fachagrarwirt für Baumpflege, seit
2000 selbstständig mit Hanseatic
Treework. Ausbilder SKT, Sachkun-
diger für PSA, Höhenarbeiter Level1,
seit 97 tätig in der Baumpflege.
Der Autor
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