Wer hoch steigt, kann tief
fallen. Das gilt auf der Kar-
riereleiter wie auf dem
Baum oder an der Fassa-
de. Überall kommt es dar-
auf an, seine Position kom-
petent zu sichern. Wie
kann man seine Position
im Baum kompetent si-
chern, so dass man auch
bei einem weniger tiefen
Fall keinen Schaden
nimmt? Ein Bericht von
Bernhard Schütte.
SKT in der Baumpflege macht
auf den Laien nach kurzer
Zeit einen relativ sicheren Ein-
druck. Der Kletteranfänger
und auch der Zuschauer
sehen in der Sicherung mit
dem Seil das Ende der Ge-
fahren. Man kann ja gar nicht
herunterfallen, wenn man an-
gebunden ist. Wenn nur die
Äste nicht so dünn wären ...
Natürlich muss man sich sei-
nen Ankerpunkt sorgfältig
wählen und zu dünne Äste
waren schon Ursache von Stür-
zen, aber die Seilsicherung ist
mitnichten das Ende aller Ge-
fahren, sondern paradoxerwei-
se sogar der Anfang einer an-
deren Gefahrengruppe. Der
Kletterer kann nicht mehr auf
den Boden, wohl aber noch in
sein Seil stürzen. Hält er sein
System nicht permanent auf
Spannung oder übersteigt
sogar seinen Ankerpunkt, kann
er so weit fallen bis das Seil
sich strafft und den Sturz ab-
fängt. Die maximale Kraft, die
beim Abfangen auftritt, wird
als Fangstoß bezeichnet. Je
größer der Fangstoß ist, desto
größer wird auch das Verlet-
zungsrisiko. Bis dahin ist noch
alles ganz leicht nachzuvollzie-
hen. Wovon hängt nun aber
die Höhe des Fangstoßes ab?
Zum besseren Verständnis der
Zusammenhänge dient das so
genannte Sturzfaktormodell.
Sturzfaktor (SF) =
Sturzstrecke/Systemlänge
Sturzstrecke: Weg vom Beginn
des Sturzes bis zum Punkt der
Seilstraffung
Systemlänge: Weg zwischen
Kambiumschoner und Gurt
bei straffem System
Die Erdanziehungskraft be-
schleunigt fallende Körper
mit 9,81 m/s
2
. Je länger die
Sturzstrecke, desto höher die
erreichte Geschwindigkeit
und damit die Kraft, die auf-
gebracht werden muss, um
den Körper zu bremsen. Stürzt
ein Kletterer in ein statisches
Seil ohne jegliches Dehnungs-
vermögen, kann man die Vor-
gänge mit einem Sturz auf
den Boden vergleichen. Je län-
ger die Sturzstrecke, desto
größer die Kraft, die auf den
Körper beim Aufprall wirkt.
Die Baumkletterseile sind je-
doch halbstatisch, was bedeu-
tet, dass sie durch Dehnung in
der Lage sind, Energie aufzu-
nehmen und damit den Fang-
stoß zu dämpfen. Im Einzel-
strang können sich diese Seile
bis etwa 5 % dehnen. Da im
Baum mit Doppelseilkletter-
technik gearbeitet wird, ver-
Hochstieg
kommt
kletterblatt
09
30
Thema