kletterblatt
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Thema
zungen hängt sehr von den
individuellen Bedingungen
des Sturzes ab. Leider sagt
diese Prüfung eines neuen
Seils im Einfachstrang nicht
sehr viel über die reale Situa-
tion im Baum aus. Zum einen
hängt der Kletterer an zwei
Strängen, die sich natürlich
weniger dehnen als ein ein-
zelner, was den Fangstoß für
den Kletterer auf jeden Fall
größer macht, und zum an-
deren wird das Seil durch den
Gebrauch gestreckt und ver-
liert damit einen Teil seiner
Dehnfähigkeit. In der SKT
wird der Fangstoß demnach
schon unterhalb des Sturzfak-
tors 0,3 die 6 kN erreichen.
Der menschliche Körper
kann Fangstöße bis etwa
12 kN überleben.
Ein Sturz bei Sturzfaktor 2 ist
mit hoher Wahrscheinlichkeit
tödlich, da der Fangstoß über
diese Grenze hinausgeht. Al-
lerdings muss man einschrän-
ken, dass das bei geringen
Entfernungen zum Anker-
punkt aus zwei Gründen noch
nicht gilt. Es ist nicht nur die
Größe der einwirkenden
Kraft, die das Ausmaß der
Schäden bestimmt, sondern
auch die Dauer ihrer Einwir-
kung. Bei Sturzfaktor 2 und
sehr geringer Strecke ist die
Lastspitze zeitlich so kurz,
dass der Körper genügend
Elastizität besitzt, um den
Sturz zu überleben. Außer-
dem wird wegen der Nähe
zum Ankerpunktstämmling
eventuell mehr Bewegungs-
energie in Reibungsenergie
umgewandelt als bei einem
freien Fall.
Um etwas mehr Licht ins Dun-
kel der Vermutungen und
Schätzungen zu bringen, ha-
ben wir Sturzversuche mit
einem Kraftmessgerät ge-
macht. Ziel war es, folgende
Fragen zu beantworten:
1. Was passiert im Klettersys-
tem bei SF 0,3? Bleiben wir
unter den geforderten 6 kN?
2. Hat der Sturzfaktor einen
höheren Einfluss auf den
Fangstoß als die Sturzhöhe?
3. Ist ein Pendelsturz mit
straffem Seil weniger ge-
fährlich als ein Fallsturz aus
gleicher Höhe?
Ein Problem, das die Aussage
der Ergebnisse beeinträchtigt
hat, war die Genauigkeit des
Kraftmessgerätes. Das kürzes-
te Messintervall betrug eine
Viertelsekunde. Alle Lastspit-
zen, die zwischen zwei Mes-
sungen auftraten, konnten
nicht in der vollen Höhe ge-
messen werden. Um dennoch
verwertbare Ergebnisse zu er-
halten, haben wir zu jedem
Versuchsaufbau einige Mes-
sungen durchgeführt und
den höchsten Fangstoß über-
nommen. Diese Kraft tritt
unter den genannten Bedin-
gungen mindestens auf.
Als Probekörper diente uns
ein Stammstück mit einem
Gewicht von 80 kg. Für die
ersten Versuche bei SF 0,3
nutzen wir ein 5 Jahre altes
Seil mit einem Klemmknoten
(9 mm, Distel, 4:1 Win-
dungen) bei einer Systemlän-
ge von 9 m. Zum einen konn-
ten sich während dieser Ver-
suche die Anbindungen am
Stammstück und am Anker-
punkt setzen, zum anderen
konnten wir beobachten, wie
sich der Klemmknoten beim
Sturz verhält. Die gemes-
senen Fangstöße betrugen
knapp unter 6 kN und der
Klemmknoten ist in drei auf-
einander folgenden Mes-
sungen gerutscht, ohne dass
wir ihn zwischendurch gelo-
ckert hätten.
Wir bleiben mit dem Kletter-
system bei SF 0,3 nur knapp
unter 6 kN (Messungenauig-
keiten, Anbindungen setzen
sich!). Der Klemmknoten
rutscht nach und wirkt fang-
stoßdämpfend.
Die anderen Sturzversuche
haben wir mit einem neuen
Seil im fixierten Doppelstrang
ohne Klemmknoten gemacht.
6 Referenzmessungen bei SF
0,3 zeigten, dass sich das
neue Seil auf 3 Stürzen noch
recken ließ und auf 17 m ins-
gesamt 46 cm länger wurde.
Danach änderte sich die
Länge nicht mehr. Die ge-
messenen Fangstöße betru-
gen nun bei gleichem Sturz-