In der GTA ist mit Philip van Wassenaer nur ein
einziger hauptberuflicher Baumsachverständi-
ger tätig ist, der vom Professionalisierungsgrad
mit den deutschen Baumsachverständigen ver-
gleichbar ist. So war das Interesse an unserem
Wissen über Baumstatik und der Verkehrssi-
cherheit von Bäumen auch eher spärlich.
Ein halbtägiger Ausflug zum Naturschutzge-
biet „Foret-la-Blanche“ im Norden Ottawas
war ein angenehmer Kontrast zu den urbani-
sierten Exkursionszielen. Mit „nur“ rund 2.000
ha zählt es zu den kleinen Naturschutzgebie-
ten in Kanada. Davon ist nur ein kleiner Be-
reich für den Besucher mit einem Rundweg er-
schlossen. Diesen Fußweg säumen Bäume aller
Entwicklungsstadien, demzufolge auch zahl-
reiche mit Pilzfruchtkörpern übersäte, abster-
bende oder abgestorbene Bäume. Der Biber
verrichtet ebenfalls fleißig und ungestört sein
Handwerk. Nach deutscher Auffassung bezüg-
lich der Erfüllung der Sorgfaltspflicht müsste
man massiv in den Baumbestand eingreifen,
um heiklen Haftungsfragen aus dem Weg zu
gehen. (Siehe Bild Seite 30)
Den vorletzten Tag verbrachten wir an der
US Forest Service’s Northeastern Research Sta-
tion der State University of New York (SUNY).
Der Leiter David Nowak und seine Mitarbeiter
verschafften uns einen kurzen Einblick in die
Arbeit ihres Instituts.
Dabei wurde insbeson-
dere das Datenbank-Pro-
gramm i-Tree und das
UFORE-Auswertungs-
und Prognoseprogramm
vorgestellt. Am Beispiel
von Baltimore wurden
zunächst Ausgangspara-
meter wie Temperatur-
gang Tag/Nacht oder
CO
2
-Belastung durch
Verkehr und Industrie
und der Einfluss großer
Wasserflächen sowie von
Wäldern dargestellt. An-
schließend wurden ver-
schiedene Zielgrößen
wie CO
2
-Bindung oder
Vergrößerung der Kro-
kletterblatt
09
38
Thema
nenüberdeckung formuliert und der Zeitraum
zur Zielerreichung festgelegt. Mit Hilfe des
UFORE-Programms wurde darauf basierend
eine jährlich zu pflanzende Zahl an Bäumen
errechnet. Da hierbei viele Einflussfaktoren das
Ergebnis beeinflussen können (durchschnitt-
liche Ausfallrate der Bäume, durchschnittliche
Lebensdauer), sind die Prognosen natürlich mit
Unsicherheiten behaftet. Dreh- und Angelpunkt
der verschiedenen Berechnungen ist die Be-
stimmung des Überschirmungsgrads der Baum-
kronen und der Erhöhung desselben, da sich
dieser Wert bei den dreidimensionalen Baum-
kronen am besten für die Berechnung der CO
2
-
Bindung, aber auch der Transpiration eignet.
Weit fortgeschritten sind die Bestrebungen
zur Erhöhung der Kronenüberschirmung in
Oakville, einer rund 160.000 Einwohner Stadt,
etwa 40 km westlich von Toronto gelegen.
Oakville ließ einen Urban Forest Strategic Ma-
nagement Plan (UFSMP)
2
erstellen, der sich
über eine Laufzeit von 20 Jahren erstreckt. Po-
litisch erklärtes Ziel des Stadtrats war, die Kro-
nenüberdeckung von 29 % (2005) auf 40 %
der Gemeindefläche anzuheben. Abhängig
von der durchschnittlichen Mortalitätsrate sind
nach Modellrechnungen jährlich zwischen
4.000 (Mortalitätsrate 2%) und 120.000 Bäu-
men (Mortalitätsrate 8%) neu zu pflanzen.
Dieser gewaltige Unterschied zwischen beiden
Varianten macht deutlich, wie wichtig es ist,
bereits vorhandene Bäume möglichst lange zu
erhalten. Nur so kann es gelingen, die Kronen-
überschirmung in Siedlungsgebieten signifi-
kant zu erhöhen. Die Studie für Oakville hat
auch gezeigt, dass insbesondere in Gewerbe-
und Industriezonen Bäume nur in geringem
Maße vorhanden sind, wohingegen in ge-
wachsenen, älteren Wohngebieten die Zielgrö-
ße von 40 % bereits weitgehend erreicht ist.
Neben der Pflanzung von Bäumen wird der
Stadt unter anderem seitens des UFSMP emp-
fohlen, zusätzliches Personal zur Beurteilung
von Bauanträgen u.ä. einzustellen, um den
Baumschutz zu verbessern. Darüber hinaus ist
eine intensive Öffentlichkeitsarbeit vorgesehen,
um die Bürger als Eigentümer von Bäumen
vom besonderen Wert ihrer Bäume und der
Bedeutung ihres weiteren Erhalts aufzuklären.
Wer hier mehr Bäume
erfolgreich einbringen
will, braucht einen
langen Atem