2. Das Klettersystem muss
beim Aufstieg immer ver-
kürzt werden, weil auch
der Sturz unterhalb des
Ankerpunktes zu schweren
Verletzungen führen kann.
Fangstoßdämpfer im Kletter-
system machen nur bedingt
Sinn, weil sie, nicht anders als
die Stoßdämpfer im Auto,
einen gewissen Weg brau-
chen, um die Kräfte zu verrin-
gern. Dieser Weg als Sturz-
raum ist in dichteren Baum-
kronen oft gar nicht verfüg-
bar. Dass in unseren Mes-
sungen der Klemmknoten
durch Rutschen den Fangstoß
reduziert hat, soll keine
falsche Sicherheit vermitteln.
Auch der Ropeguide als Kam-
biumschoner mit fangstoß-
dämpfendem Element lädt
nicht zum permanent sorg-
losen Umgang mit Schlaffseil
oder Überklettern des Anker-
punktes ein.
In Nebenversuchen haben
wir unser Stammstück Pen-
delstürzen im straffen System
ausgesetzt. Der Aufprall am
Stamm wurde beim Erreichen
des Lotes durch ein sich straf-
fendes statisches Seil simu-
liert. Das Kletterseil kann den
Fangstoß nicht verringern, da
es während des Pendelns
schon straff ist. Die auftre-
tenden Kräfte werden also
nur von Stamm und Körper
aufgenommen. Wenn die
Dehnung im System aus-
bleibt, wird der Sturz härter.
Wir wollten wissen, um wie
viel härter.
Pendelsturz
Systemlänge Sturzfaktor Kraft in daN
5,40 m SF 0,5
1830
5,55 m SF 1
2390
Die Systemlänge unseres Pen-
delsturzaufbaus war etwas län-
ger als die 4 m aus den letzten
Freifall-Messungen. Der Fang-
stoß nach dem Pendelsturz mit
SF 0,5 war aber nur noch 1 kN
geringer als der beim Sturz ins
Seil mit SF 2.
Bei einem kontrollierten Pen-
delschwung zurück ins Lot
des Ankerpunktes kann man
sich mit den Füßen abfangen
und durch Beugen der Beine
den Fangstoß dämpfen. Diese
Möglichkeit gibt es bei einem
Sturz ins schlaffe Seil nicht.
Handelt es sich aber um
einen echten Pendelsturz, bei
dem der Kletterer keine Kon-
trolle hat und ungebremst an
den Stamm schlägt, ist das
Verletzungsrisiko sogar noch
größer als bei einem Sturz ins
Seil. Wie kann man solche Ri-
siken verringern?
1. Bei Arbeiten in der Außen-
krone sollte man immer
prüfen, ob der Bau einer
Umlenkung sinnvoll er-
scheint. Das ist oft nicht
nur sicherer, sondern auch
bequem.
2. Fühlt man sich auf dem
Weg nach außen unsicher,
kann man sich an den kri-
tischen Positionen mit dem
Halteseil zwischensichern.
3. Birgt der Weg nach innen
Pendelsturzgefahr, kann
man sich mit einer Seil-
bucht oder einem kom-
pletten System, das man
aus dem Seilende baut, auf
dem Rückweg sichern.
Der Artikel sollte keinem Klet-
terer Angst machen. Er sollte
aber dazu anregen, die eigene
Klettertechnik gelegentlich zu
hinterfragen. Gefahren wer-
den nicht kleiner, wenn man
sie sich kleiner vorstellt oder
einfach ignoriert.
BERNHARD SCHÜTTE
Diplomingenieur für Forstwis-
senschaft, Firmeninhaber der
Fa. happy-tree. Seit 6 Jahren
Ausbildungsleiter im Team der
Münchner Baumkletterschule.
Der Autor
kletterblatt
09
34
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