Kletterblatt 2008 - page 28

Die Bäume waren durch Prachtkäferbefall so ge-
schädigt, dass sie in Ihrer Stand- und Bruchsi-
cherheit eingeschränkt waren. Es handelte sich
um einen ungefähr achtzigjährigen Laubholz-
mischbestand, zusammengesetzt aus überwie-
gend Buchen und Eichen, vereinzelt fanden sich
aber auch Eschen und Ahorne. Typisch für solche
Randbäume war der einseitige Kronenaufbau,
der Konkurrenzsituation entfliehend, wuchsen
die Bäume zur Wohnbebauung hin. Die Bäume
waren zwischen 20 und 30 Meter hoch, die
mittleren Brusthöhendurchmesser betrugen zwi-
schen 40 und 100 cm. Manche Bäume waren,
für Waldbäume charakteristisch, wipfelschäftig
gewachsen, also schlank und hoch mit auf den
nahezu astfreien Schaft schmal aufbauender
Krone. Von besonderer Bedeutung war außer-
dem, dass der Biotopcharakter des Bestandes
nicht gestört werden sollte und die Fällungen
darum besonders schonend für die Baumum-
felder durchgeführt werden mussten. Alles in
allem war also ein geradezu kosmetisches Her-
ausoperieren der Bäume notwendig, um Bestand
und Bebauung nicht zu gefährden. Seilkletterer
mit Helikopterunterstützung schienen hierfür
eine ideale Lösung. Auftraggeber waren die Ge-
meinde und die zuständige Forstverwaltung.
Gearbeitet wurde in einem kombinierten
Verfahren, mit Seilkletterer im Baum und He-
likopter zur Sicherung, bzw. zum Transport
der Kronen- und Stammteile. Ein ähnliches
Arbeitsverfahren also, wie es oft bei Baum-
fällungen mit Autokranunterstützung ange-
wendet wird. Drei, zeitweise vier Seilkletterer,
sollten in vier Arbeitstagen ca. 65 der be-
schriebenen Bäume fällen.
„Klappt alles wie geplant, oder wird in den
nächsten Tagen im Kochertal richtig viel Geld
verbrannt?“ Das fragten wir uns. Immerhin han-
delte es sich um ein in Deutschland in dieser
Form wohl erstmalig – soweit mir bekannt ist –
zur Anwendung kommendes Arbeitsverfahren.
Der erste Tag begann mit einem ausgie-
bigen Briefing. Das Flugwetter war mittel-
mäßig und wir waren, wen wundert’s, etwas
aufgeregt. Das Arbeitsverfahren wurde mit
den Helikopterleuten erläutert und abge-
stimmt. Diese setzten uns über die für sie
notwendigen technischen Rahmenbedin-
gungen in Kenntnis. Wir erfuhren, welche
Witterungsbedingungen notwendig waren,
welche Lasten in Abhängigkeit davon vom
Helikopter bewegt werden konnten und wir
erhielten Sicherheitseinweisungen, insbeson-
dere über das Verhalten in Gefahrensituati-
onen. Im Gegenzug erklärten wir Kletterer
dem Piloten und seinem Team unsere Arbeits-
weise und sensibilisierten sie für unsere Situa-
tion. Wir erklärten, welche Gefährdungen aus
unserer Sicht durch dieses kombinierte Ver-
fahren für die Kletterer entstehen könnten
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