Kletterblatt 2005 - page 34

Beim Abtragen von Bäumen
werden Stammstücke mit
großem Eigengewicht über
Seilsysteme abgelassen und
zu Boden befördert. Das
sind häufig kritische Ar-
beitssituationen. Hier kön-
nen die Sicherheit der Klet-
terer erhöht und das Risiko
von Sachschäden verringert
werden, wenn die Grund-
sätze der Mechanik, die
auch beim Riggen eine
enorme Rolle spielen, be-
achtet werden. Die Soft-
ware Rigging 1.0 kann das
Verständnis dieser Zu-
sammenhänge erleichtern
und die Planung der Ar-
beitsabläufe erheblich ver-
bessern.
Energiebilanz
Soll ein Stück des abzutra-
genden Stammes nach unten
befördert werden, muss aus
physikalischer Sicht sein ener-
getischer Zustand verändert
werden. Das Gleiche würde
gelten, wenn wir es vom Bo-
den in eine gewisse Höhe
bringen. Dabei kommen wir
ins Schwitzen, weil wir Arbeit
verrichten müssen. Wir inves-
tieren Energie, um die Position
des Stammstückes zu verän-
dern. Diese Energie kann wie-
der freigesetzt werden, wenn
das Stammstück die gleiche
Strecke herabfällt.
Wird ein Stammstück ohne
Ablasssystem abgeworfen,
nimmt der Boden die gesamte
freiwerdende Energie auf. Da-
bei ist in der Regel ein dump-
fer Schlag zu hören und der
Erdkörper verformt sich – das
Holz hinterlässt eine Delle im
Boden. Türmt man zuvor Äste
und Zweige zu einem Abwurf-
kissen auf, können diese einen
Großteil der Energie aufneh-
men. Dabei verbiegen sie sich,
brechen und werden anstelle
des wertvolleren Englischen
Rasens zerstört.
Der 2. Hauptsatz der Thermo-
dynamik besagt, dass Energie
nicht verloren geht, sondern
immer vollständig umgewan-
delt wird. Beim Rigging geht
die Lageenergie des Stamm-
stücks in Bewegungsenergie,
Spannenergie und letztendlich
durch Reibung in Wärme über.
Diese verlässt unser Rigging-
Set durch Abstrahlung in Rich-
tung Atmosphäre, bevor sie
Verformung oder Zerstörung
anrichten kann.
Thema
kletterblatt
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Der Fangstoß beim Abseilen
Erk Brudi, Andreas Detter und Frank Bischoff, Brudi & Partner TreeConsult
Wissen, wie Kräfte wirken
Abb. 1 Die Fallstrecke misst man nicht vom Anbindungspunkt des Seiles, son-
dern stets vom Schwerpunkt des Stammabschnitts aus, der etwa auf der hal-
ben Länge liegt. Mit der Halbierung der Länge des Abschnitts reduziert sich
beim stehenden Stamm so auch die Fallstrecke erheblich.
Die freigesetzte Lageenergie beträgt damit deutlich weniger als die Hälfte der
Energie, die beim Ablassen des ursprünglichen Stammstücks freigesetzt wür-
de (in der Regel noch etwa 30 bis 35%).
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