Kletterblatt 2005 - page 36

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sport als „von Null auf 100 in
11 Sekunden“ verstanden,
sondern auch umgekehrt, von
100 auf Null in 0,1 Sekunden -
wenn der Wagen vor die
Wand fährt bzw. das Stamm-
stück im freie Fall gestoppt
wird. Die auftretende Kraft-
spitze, also der Fangstoß,
hängt von der Masse des ge-
bremsten Körpers und der
(negativen) Beschleunigung
ab, die der Körper beim
Bremsvorgang erfährt.
Kraft =
Masse x Beschleunigung
In den Crashtests der Autoher-
steller verfälscht dies oft das
Ergebnis: leichte Kleinwagen
schneiden vielfach besser ab
als schwere Limousinen. Weil
sie eine geringe Masse aufwei-
sen, erzeugen sie niedrigere
Kraftspitzen, wenn sie frontal
gegen die Wand fahren. Bei
einer Kollision mit einem
schwereren Fahrzeug jedoch
würden sie total deformiert. In
der Baumpflege können wir
das Gewicht der Stammstücke
nicht beliebig verringern. Beim
dynamischen Ablassen ist da-
her das Ziel, möglichst gleich-
mäßig und nicht ruckartig ab-
zubremsen, um hohe Kraft-
spitzen zu vermeiden.
Der maximal mögliche Fang-
stoß variiert stark mit der
Dehnbarkeit des verwendeten
Seilmaterials. Stahlseile kom-
men beim Rigging nicht zum
Einsatz – viel zu groß wäre der
Fangstoß, wenn das Stamm-
stück beim eventuellen Blo-
ckieren des Bremsgerätes ins
Seil knallte und dabei seine
Geschwindigkeit in Sekunden-
bruchteilen gestoppt würde.
Umgekehrt reduziert sich die
auftretende Kraft, je mehr
Dehnungsweg möglich ist.
Beim Bungee-Jumping über-
lebt der Adrenalin-Süchtige
den Sturz aus 80 Metern Höhe
Thema
ein hoher Fangstoß auftritt.
Dabei wird fast die gesamte
Lageenergie in Wärme umge-
wandelt. Obwohl das Stamm-
stück ohne dieses Abbremsen
mit großer Wucht am Boden
aufschlagen würde, erwärmt
sich das Bremsgerät nur ver-
gleichsweise wenig. Dies zeigt,
wie wirkungsvoll diese Form
der Energieumwandlung ist.
Fangstoß
Die Dehnbarkeit des Seiles
entscheidet auch darüber, wie
rasch das Abbremsen vor sich
geht. Je weniger nachgiebig
das Seil ist (= große Steifigkeit,
hoher Seilmodul), desto ab-
rupter fällt der Bremsvorgang
aus. Wenn das Holzstück aus
dem freien Fall von einem fle-
xiblen Seil aufgefangen wird,
wird eine viel längere Zeit be-
nötigt, um die Fallbewegung
abzubremsen.
Bremsen und Beschleunigen
sind physikalisch das Gleiche,
aber mit umgekehrtem Vorzei-
chen. Dabei wird Beschleuni-
gung nicht nur wie im Motor-
Abb. 3 Riggingsoftware 1.0
1...,26,27,28,29,30,31,32,33,34,35 37,38,39,40,41,42,43,44,45,46,...96
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