Kletterblatt 2013 - page 94

Ausland
Report
kletterblatt 2013
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A
ls imFrühjahr 2010 die Anfra-
ge der Stadt Karlsruhe kam, ob
wir Interesse an der Pflege und
Fällung vonGroßbäumen auf einer
Gedenkstätte in Südfrankreich
hätten, warenmeinBruder und ich
sofort begeistert. Die Vorfreude
auf einen Arbeitseinsatz in ei-
ner Gegend, woman sonst üb-
licherweise Urlaub macht,
war groß. Nach den ersten Re-
cherchen zu Gurs wich die Vor-
freude schnell einer gewissen Be-
klemmung. Wir spürten, das wür-
de nicht einfach irgendeinAuftrag
mit Urlaubsfeeling werden. Je
mehr wir uns über die Geschichte
dieses Lagers informierten, desto
größer wurde unsere Betroffen-
heit. Auch aufgrund der Geschich-
te des Lagers hieltenwir es für an-
gemessen, dieses Projekt in Zu-
sammenarbeit mit französischen
Kollegen durchzuführen. Über
Bekannte von Baumklettermei-
sterschaften kamenwirmit Kolle-
gen aus Pau inKontakt.
Im Herbst 2010 reisten mein
Bruder und ich zur Angebotser-
stellung nach Gurs. Herr Unger,
Leiter der Baumpflege beim Gar-
tenbauamt in Karlsruhe, hatte
schon bei einer Untersuchung
festgestellt, dass 100 Großbäume
gepflegt und 30 durch stückweises
Abtragen gefällt werden mussten.
Nur so konnte die Verkehrssicher-
heit für die Besucher auf dem Ge-
lände der Gedenkstätte wieder
hergestellt werden. Bei vielen Bäu-
men war der Einsatz der Seilklet-
tertechnik die einzigmögliche Zu-
gangstechnik; bei einigen Bäumen
war der Einsatz einer Hubarbeits-
bühne aufgrund des Schadensaus-
maßes an denBäumen unumgäng-
lich, bei den meisten konnte man
aber beide Arbeitsweisen kombi-
nieren. Der überwiegende Teil der
Arbeiten (vor allem im Friedhofs-
bereich ) hatte technisch gesehen
den höchstemSchwierigkeitsgrad,
da die ca. 1000 Gedenksteine mit
darauf liegenden Kieseln der An-
gehörigen auf keinen Fall geschä-
digt bzw. bewegt werden sollten.
Uns war schnell klar, dass wir
hier eine anspruchsvolle und um-
fangreiche Aufgabe vor uns hat-
ten: Technische Probleme, wie
schwierige Arbeiten in den Sumpf-
eichen, der Zugang zu den am
Rande stehenden Bäumen, oder
auch die Frage nach dem Schutz
der Gedenksteine, auf die Angehö-
rige der Opfer nach jüdischer Sitte
kleine Steine gelegt hatte, waren
zu lösen. Eine Logistik für die
Entsorgung war aufzubauen und
wirmusstenmit der dramatischen
Geschichte dieses Geländes klar-
kommen, was nicht einfach war.
Dannwar da noch dasWetter. Bei
unserem ersten Besuch regnete es
inStrömen. DasWetterwürdewohl
Mit Respekt
vor den Opfern
Schwierige und einfühlsame Baumpflege in Gurs
Die Anfang der 60er Jahre auf der Gedenkstätte in Gurs gepflanzten Bäume waren in
der Folge vernachlässigt worden, weshalb die Sicherheit der Besucher nicht mehr ge-
währleistet war. Deshalb war jetzt eine umfassende Pflege notwendig geworden.
Peter und Michael Schmeller organisierten für diese aufwendige und diffizile Pflege-
aktion ein Team von Baumkletterern. Ein Bericht von Peter Schmeller.
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