kletterblatt 2013
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Am ungewöhnlichsten war aber
unser großer Clearcut in West
Vancouver, bei demwir insgesamt
68 zumTeil schon alte und richtig
große Bäume gefällt haben und
der uns, mit einigen Unterbre-
chungen, einenMonat beschäftigt
hat. LautWork Order lagen die vo-
raussichtlichen Arbeitsstunden
jedenfalls bei 250. Es war ein
wunderschönes Grundstück, al-
lerdings mit eben diesem kleinen
Makel und der sollte jetzt zwecks
Wertsteigerung behoben werden.
Die Beseitigung der Bäume war
unser Part. Dafür wurden extra
ein paar örtlicheRugby Spieler aus
Burnaby als Bodenleute und Hel-
fer eingestellt. Unser Vorgehen
war dann recht einfach. Bei den
Bäumen hinterm Haus wurde,
falls nötig, die Krone im Rigging-
verfahren zu Boden gebracht. Die
Stämme wurden erst einmal ste-
hen gelassen, um sie später zu fäl-
len und dannmit demKran zu fas-
sen. Die starken Douglasien und
Lebensbäume im vorderen Be-
reich nahe der Einfahrt wurden
aufgeastet, der Wipfel angeleint,
geköpft - der größte hatte schon
gute 15m - und dann stehen gelas-
sen, bis amSchluss der Holzlaster
vom Sägewerk kam. Das Holz der
Douglasie gilt auch in Kanada als
gutes Bauholz. Erst recht, wenn
sie schon älter und von guter Di-
mension ist, also einen großen
Durchmesser hat. Das Holz der
Thuja wird hingegen gerne imAu-
ßenbereich z. B. als Treppenstufen
verwendet.
Mein damaliger Arbeitskollege
war Chad, einer der wenigen Ka-
nadier und gebürtigen Vancouve-
rites im Burnaby Office. Er kam
vonDavey zu uns, und bevor er Ar-
borist wurde, war er als Holzfäller
in denWäldern derWestküste un-
terwegs gewesen. Wir beide wur-
den auch zusammen nachVictoria
geschickt, um in der dortigen
Hauptniederlassung von Bartlett
auszuhelfen. Die zwei Wochen im
Hotel und das Klettern imBeacon
Hill Park waren eigentlich schon
fast Erholung, da wir uns strikt an
die von der Gewerkschaft vorgege-
benen Pausenzeiten halten muss-
ten. Am freien Sonntag habe ich
mir unseren Pickup ausgeliehen
und bin in eines der Hauptgebiete
der Forstwirtschaft auf Vancouver
Island gefahren. Die immer noch
üblichen Kahlschläge sind er-
schreckend und haben doch – lei-
der - etwas Faszinierendes an sich.
Viele Urwälder sind der Axt zum
Opfer gefallen und werden noch
immer zerstört. Wenn man diese
riesigenKahlschlagsflächen sieht,
mag man es kaum glauben, aber
Urwälder gibt es tatsächlich noch.
Widerstand gegen Kahlschläge
Inzwischen keimt angesichts der
Zerstörung der alten Wälder Wi-
derstand in der Bevölkerung gegen
diese veralteten, nicht nachhal-
tigen Forstpraktiken. 2010 lernte
ich die Gruppe „Ancient Forest
Allience“ kennen, die sich haupt-
sächlich für die noch ungeschütz-
ten Regenwälder auf Vancouver
Island und demFestland einsetzt.
Ihre Aufmerksamkeit gilt vor
allem den produktiven Wäldern,
auf die auch die Forstindustrie
scharf ist. So konnte ein Bestand
namens „Avatar Grove“ noch in
letzterMinute vor der Axt gerettet
werden. Heute genießt Avatar
Grove internationale Aufmerk-
samkeit, sogar von Al Jazeera.
Auch ich habe schon die geret-
teten Baumriesen bewundert.
2010/11 fanden auf Vancouver
Island die Klettermeisterschaften
statt, bei denen Izaak, ein erfah-
rener Kletterer aus Neuseeland
und Arbeitskollege, den dritten
Platz belegte. Mit Izaak habe ich
am längsten zusammengearbeitet
und auch einige Kajaktouren un-
ternommen. Die Inselwelt um
Vancouver Island sowie die vielen
Fjorde sind für Seekajak-Fahrer
äußerst attraktiv. Eines meiner
Lieblingsziele waren die Gulf Is-
lands im Südosten der Insel mit
ihrem schon fast mediterranen
Klima. Sie sind leicht zu erreichen
mit Skytrain, Bus undFähre– ideal
wenn man ein Faltboot besitzt
oder schon auf einemBoot wohnt.
Bis ich in der Sommerflaute mei-
ne Reise durch Kanada antrat,
hatte ich auf einem alten Fluss-
schiff gegenüber von Science
World und dem olympischen Dorf
gewohnt
Work &
Travel
Mit dem Zug ging es von Küste
zu Küste, von Prince Rupert an
der Grenze zu Alaska über Jasper,
Toronto, Montreal, Quebec City
nachHalifax undmit nahezu allen
anderen Verkehrsmitteln wieder
zurück. Ich war drei Monate un-
terwegs. Kanada ist riesig und fas-
zinierend! Am meisten hat es mir
Quebec, die einzige französische
Ausland
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