kletterblatt 2013
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ISA erreicht wird. Als ISA Certi-
fied Arborist lag der Stundenlohn
gleich um sechs Dollar höher und
als Einstieg wurde mir für den be-
standenen Bartlett Home Study
Test eine Prämie von 300 Dollar
bezahlt.
Ansonsten bin ich mit meiner
Ausbildung schon ziemlich aus
dem Rahmen gefallen. Die Schu-
lungen dienen aber vor allem der
Sicherheit. 2011 hatten wir zwei
einwöchige Safety Meetings mit
wechselnden Themen aus der
Baumpflege. Zusätzlich kam ein-
mal im Monat unser Safety In-
structor Gareth, ein Südafrikaner,
mit der Fähre von Vancouver Is-
land, um uns zu schulen und auch
zu prüfen. Dafür wurden dann
Kreditpunkte für das Zertifikat
vergeben.
Work
& Travel
Ein Arbeitstag war umfassend
durchstrukturiert und -organi-
siert. Pünktlich um 7 Uhr haben
sich alle im Büro der Bauleiter ge-
troffen und nach einem kurzen
Briefing wurden den Vorarbeitern
der verschiedenen Crews der Ar-
beitsauftrag (General Tree Work
Order) mit aufgelisteten Stunden
für jede Teilarbeit und gleichzeitig
dieGefährdungsermittlung ausge-
händigt. Die LKWs wurden ent-
sprechend der Erfordernisse des
Auftrags einwenig umgeladen und
dann ging es los. Die Baumpflege-
Fahrzeuge sindUmbauten und ha-
ben auch für die Ausrüstung genü-
gend Stauraum, sind also bestens
für ihren Einsatz geeignet - nur
ordentliche Anhängerkupplungen
wurden in Nordamerika noch
nicht erfunden. Arbeitsende war
meist um 15.30 Uhr, denn die Re-
gel waren acht Arbeitsstunden pro
Tag. Was darüber hinaus ging,
wurde extra vergütet.
Zu unserenAufgaben zählten na-
türlich alle Arten der Gehölzpfle-
ge, von kleinen Bodendeckern bis
zu den riesigen Douglasie an der
Capilano SuspensionBridge. Diese
Hängebrücke ist mit einer Spann-
weite von 136 Metern und mit 70
Metern über dem gleichnamigen
Canyon eine Attraktion. Fäl-
lungen gab es das ganze Jahr über
zur Genüge, zeitweise waren wir
auch nur mit dem Heckenschnei-
der unterwegs. Was ich vermisst
habe, war die Verwendung von
Stangensägen. Stattdessen wur-
den Pole Pruner, Raupenscheren
auf Stangen wie der Big Shot ver-
wendet, die allerdings auch ihre
Vorteile haben. Interessanterwei-
se gibt es dann auch im Wett-
kampf die Pole Pruner Station
während man hier von der Stan-
gensägenstation spricht.
Auffallendwar, dass ich nirgend-
wo die bei uns üblichenHubsteiger
entdecken konnte. Wie man mir
sagte, liegt dies an der elektri-
schenLeitfähigkeit der stählernen
Teleskopsteiger. Die Buckets oder
auch Boom Trucks sind alles
Knickgelenksteiger aus Carbon,
denn dem „electrical hazard“ wird
unter den Gefährdungen die
höchste Aufmerksamkeit gewid-
met. Halteseile mit Stahleinlage
sollen aus diesem Grund zukünf-
tig nicht mehr vorgeschrieben
sein. sind. Schnittschutzhosen
waren dagegen vorgeschrieben,
anders als in den USA. Dort trägt
man gerne Jeans und sogenannte
Chaps.
Bärenbesuch im Garten
Insgesamt hatten wir drei Bau-
leiter – Representatives oder kurz
Reps genannt – die Stadt und Um-
land unter sich aufteilten. Wir wa-
ren viel in North Vancouver und
West Vancouver eingesetzt. Beide
Städte sind eigenständig und lie-
gen, getrennt durch das Burrard
Inlet, am Fuße und Anstieg der
drei Hausberge von Vancouver.
Dort hat man eine wunderbare
Aussicht auf die Stadt, den Stanley
Park und die English Bay und ist
gleich im Grünen und in den an-
grenzendenParks. DieFolge dieser
exklusiven und exponierten Lage
sind neben immensen Immobilen-
preise auch viele und intensive
Niederschläge, die das Arbeiten
nicht unbedingt erleichtern. Aus
der Bergwelt kann auch schonmal
ein Bär in den Garten spazieren.
Ich erinnere mich an einen Apfel-
baum, der nach einem Bärenbe-
such weichenmusste.
Maintain the Oceanview
Bei einemmeiner nassesten Jobs
entferntenwir in strömendemRe-
gen drei riesige dicke Thujen im
Riggingeinsatz. Fachlich gab es
keinen Grund für die Fällungen.
Dass die Dame des Hauses eines
Morgens einen Schwarzbären im
Baum entdeckt hatte, hat sicher-
lich nicht gerade zur Erhaltung
der Bäume beigetragen, war aber
nicht der Grund. Eine andere Er-
klärung sagt, dass Zuwanderer
aus der Prärie, die Hausbesitzer
kamen aus Calgary, wohl keine ho-
hen Bäume gewohnt sind und da-
her Angst vor solchen Riesen ha-
ben. Die plausibelste, aber trotz-
dem traurige Erklärung ist jedoch
die: Um die Aussicht zu erhalten,
müssen viele große und alte Bäu-
me weichen. Aufgrund der Aus-
sicht sind die Preise hier höher als
im sowieso schon teuren Vancou-
ver. Jedenfalls war das fast immer
der Grund für unser Anrücken.
Richtigerweise stand dann auch
„maintain the oceanview“ im Ar-
beitsauftrag.
Ausland
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