ein kleiner Hoffnungsschimmer.
Doch eigentlich hatte ich die Ki-
sten schon abgeschrieben undmir
Gedanken über eine Minimalaus-
bildung gemacht. Denn wenn es
keine Kletterer gibt, würden auch
weiterhin nur Eukalyptus und
Kiefer angepflanzt werden
Als ich 9 Uhr abends, der Abend
vor dem Kursbeginn, mit unseren
Köchen auf dem Küchentisch
Tischtennis spielte, öffnete sich
dieKüchentüre undBaltazzar Cal-
vas, trat mit fünf Gehilfen in den
Raum … und jeder hatte eine Alu-
kiste in den Händen. Es war wie
Weihnachten! Auf unsere Fragen,
wie er das geschafft habe, antwor-
tete Calvas nur trocken. „Keine
Fragen brauchen keine Antwor-
ten.“
Sofort öffnete ich dieKisten, ging
die Materialliste durch, und ich
konnte es nicht fassen: AllesMate-
rial war vollzählig. Jetzt war aber
Eile angesagt. Die Ausrüstung
musste maßgerecht hergerichtet
und die Prusikschlingen zuge-
schnittenwerden. InneunStunden
würdenmeine Schüler vor der Tür
stehen. Das freundliche Küchen-
personal stelltemir dafür denGas-
ofen in der Küche zur Verfügung.
Am nächsten Tag um 8 Uhr in
der Früh standen die ersten zehn
Schüler vor der Tür, Teilnehmer
aus den unterschiedlichsten Regi-
onen und Stämmen Ecuadors.
Alle hatten einen misstrauischen
Blick. Vielleicht war das Material
der Grund. Denn anscheinend
hatte niemandmit so viel Technik
gerechnet.
Obwohl alle anfangs gefragt wor-
den waren, was sie bisher schon –
das Klettern betreffend – gemacht
hatten, konnte ich mir nicht wirk-
lich einen Reim daraus machen.
Ich beschloss dennoch, die Theo-
rie auf vier Stunden zu reduzieren,
und fing schon am ersten Nach-
mittag zu klettern an.
Alle freuten sich, amNachmittag
klettern zu dürfen, allerdings hat-
ten sie sich alles ein bisschen ein-
facher vorgestellt undVertrauen in
das Material hatte keiner. Natür-
lich hätten sie es vorgezogen, ohne
Sicherung die Bäume hoch zu stei-
gen. Da wir aber zum Teil sehr
hohe Bäume besteigen sollten, war
ihre Technik nicht mehr akzepta-
bel. Insgesamt war der erste Tag
für die Teilnehmer eine Enttäu-
schung, und nach demAbendessen
verkrochen sie sich schnell in ihre
Kojen.
AmnächstenTag, ichweiß nicht,
was sich in dieser Nacht unter den
Teilnehmern abgespielt hatte,
schienen sie wie verwandelt. Lu-
stig, lachend undmotiviert gingen
sie in den neuen Tag, begegneten
mir freundlich, und vertrautenmir
das eine oder andere Geheimnis
an. Und so begann ich so langsam,
die Welt dort zu begreifen. Mit je-
der Stunde wurden wir mehr und
mehr ein Team. Jeder lachte über
den anderen, wenn er nicht mehr
weiter kam, es war Spaß und Le-
bensfreude, auch wenn dann und
wann eine fliegende Schlange die
Baumkrone durchkreuzte.
Später erzählte mir ein Teilneh-
mer, der für eine Firma in Quito
arbeitete, dass sie auch Bäume im
Amazonasgebiet besteigen sollten,
die sehr hoch wären. Sie sollten
Früchte ernten, die sehr viele Sta-
cheln hätten. Diese sollten dann in
ihrem Institut so umgezüchtet
werden, dass sie ohne Stacheln ex-
porttauglich sei. Er bat mich, 2013
zum Klettereinsatz mitzukom-
men. Vielleicht lasse ichmich noch
überreden, in das Land der Kroko-
dile zu gehen, um auf Bäume zu
steigen, dennmit 53 Jahrenwerde
ich so viele Gelegenheiten nicht
mehr bekommen.
Wängle /Tirol Eingang Lechtal
Forstwirtsausbildungmit
Kletterschein SKTA und B.
Seit 1993 bei der Bayerischen
Landesanstalt fürWald und
Forstwirtschaft
Leiter vonKletterausbildungen
imAusland wie Südamerika ,
Frankreich und Russland.
Alfred Wörle
Sechs der ersten Teilnehmer, die anderen vier hatten sich verkrochen. Ich konnte Ihnen auch nicht ausreden die
Mützen unter dem Helm auszuziehen. Der 2. in der 2. Reihe war so alt wie ich und kletterte in Gummistiefeln.
Information
Mein Skript für den Kurs hat mir dankenswerterweise Frau Violeta Aramayo von der Forstu-
niversität Freising ins Spanische übersetzt. Die Forstuniversität hatte mir einen Übersetzer
bereitgestellt, der all meine Anweisungen und Vorträge in das Spanische übersetzte. Des
Weiteren bekam ich einen deutschen Baumkletterer, Kai Tacke, zur Unterstützung. Ohne ihn
hätte ich keine Chance gehabt, jedeWoche die 10 Schüler zu unterrichten. Einen großen Dank
an dieser Stelle auch der Firma Freeworker, die mich mit großem Engagement im Vorfeld
dieser Aktion beraten hatte.
In Ecuador wird inzwischen ein landesweites Netz von Samenpflückern aufgebaut. So wird
gewährleistet, dass sich dort eine sehr umfangreiche Artenvielfalt entwickeln kann. Mit der
Klettertechnik werden so nicht nur Bäume abgetragen, sondern die Möglichkeit geschaffen,
neue Wälder zu gründen.
kletterblatt 2013
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