Kletterblatt 2013 - page 96

kletterblatt 2013
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ungeeignet waren, da wir von den
angrenzenden Feldern aus damit
arbeitenmussten. Hubarbeitsbüh-
nen, wie wir sie kennen, enden in
diesem Teil des Landes bei 20 m
Höhe. Und das zu einem sündhaft
teuren Preis. Nachfragen bei fran-
zösischen Verleihfirmen waren
langwierig und endeten allesamt
enttäuschend. Auch Anfragen bei
deutschen Firmen verliefen „Da
muss ichmal nachfragen, ichmel-
de mich ...“ im Sande. Einzig die
Firma Becker war bereit, uns eine
Hubarbeitsbühne (3,5 t, 27 m) zur
Verfügung zu stellen. Der Haken
daranwar allerdings, dass wir das
Fahrzeug hin- undwieder zurück-
fahren mussten. Jeweils eine
20-Stunden TorTour.
Ende September war es dann
endlich soweit. Wir hatten diese
Zeit gewählt, weil dann in der Re-
gel stabiles Wetter vorherrscht.
Allerdings hatte es dort bei teil-
weise mehr als 40 Grad zweiein-
halb Monate nicht geregnet und
die übliche unruhigeWetterphase
Ende August war ausgeblieben.
Prompt setzte dann in der Woche
vor der Anreise Regen ein. Noch in
der Nacht vor Arbeitsbeginn reg-
nete es. Aber pünktlich zum Be-
ginn war es trocken und wir hat-
ten in den folgenden zwei Wochen
nur einen halben Tag lang nasse
Bäume. Auch das Befahren der
Felder war kein Problem.
Wir hatten den Auftrag bekom-
men, weil die Stadt Karlsruhe uns
zutraute, die Arbeiten fachgerecht
und ohne Schäden zu verursachen,
durchführen zu können. Vor allem
im Friedhofsbereich war das eine
sehr anspruchsvolle Aufgabe. Die
Mitte der sechziger Jahre ge-
pflanzten Bäume waren inzwi-
schen zu richtigen Riesen heran-
gewachsen. An den Gleisanlagen
gab es einige gekappte und dann
vergessene Bäume. Der überwie-
gende Teil der Bäume waren aber
Erstbesteigungen. Vor allem bei
den Sumpfeichen bedeutete dies
sehr viel Arbeit. Daneben gab es
noch Platanen, Eschen und Am-
berbäume, teilweise bis zu 35 m
hochgewachsen. Um die Grab-
steine zu schützen, hatten wir uns
Schutzbauten ausgedacht, die wir
vor Ort herstellten und über die
Grabsteine stellten. Damit waren
auch die auf den Grabsteinen lie-
genden kleinen Steinchen ge-
schützt, die von Angehörigen und
Trauernden dort hingelegt worden
waren und die nicht bewegt wer-
den durften. Jeder im Team war
betroffen von diesem Ort und sei-
ner Geschichte. Viele Gespräche
untereinander und mit Besuchern
der Anlage folgten in den kom-
menden Tagen.
Man kann also nicht gerade von
einer Spaßbaustelle sprechen.
Fünfzehn Alphas, zwei Wochen
auch nach Feierabend zusammen,
erzeugen doch auch hier und da
Reibungen. Für mich und Micha
war auch der unternehmerische
Druck recht hoch. Ich bekamdann
auch am Wochenende zu hören,
dass ich mich doch bitte schön
zurücknehmen sollte, was mir
schwerfiel, da ich inzwischen je-
den Baum mit Vornamen kannte
und fast zwei Jahre darüber nach-
gedacht hatte, wiemanwas ambe-
sten bewältigen könnte. Aber es
gelang. Zum einen, weil wir schon
in der ersten Woche mit einer sa-
genhaften Arbeitsleistung sehr
weit gekommenwaren, zumande-
ren, weil mir ein Infekt zum Wo-
chenende buchstäblich die Spra-
che verschlagen hatte.
Hatte in den ersten Tagen noch
Wind die Arbeit erschwert, so war
doch insgesamt angenehmmildes
Wetter vorherrschend, der eine
oder andere ging abends im Fluss
baden. Immer zwei Stunden vor
Feierabend gingMeckiemit einem
„Schnipselknecht“ davon, um ein
köstliches Abendessen zu zaubern.
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