slawischen Sprachen, das konnte so schwer nicht
sein. Beim Üben der Knoten kündigte ich siegesge-
wiss den Lodni an, wie der Mastwurf slowakisch
heißt. Die beiden guckten mich verstört an, als hätte
ich mir kurz die Hosen herunter gezogen. Irgendet-
was stimmte nicht mit demslowakischenMastwurf.
Ich machte einen weiteren erfolglosen Versuch und
verlegte mich dann wieder auf das Binden und Fra-
gen. Aaaah, Bitschev! Das war ja nicht mal nah dran.
Vielleicht funktioniert das slawische Sprachgefüge
doch etwas anders, als ich es mir vorgestellt und ge-
wünscht habe. Wir knoteten also englisch weiter.
Ewas später unternahm ich einen neuen Anlauf und
fügte in einen englischen Satz den slowakischen Be-
griff padovyfaktor für Sturzfaktor ein. Stille. Die Bli-
cke von Zoran und Andrej habe ich etwas weiter oben
schon beschrieben. Auf das slowenische faktorpadca
wäre ich nicht gekommen, obwohl hier wenigstens
derWortstamm zu erkennen war.
Am Dienstagnachmittag verschwand der Regen,
und weil unsere Buche schnell trocknete, wurde aus
der Rutschpartie auch baldwieder ein richtiger Klet-
tertag mit wunderschönen Ausblicken über das Tal
der Unica. Der Fluß kommt aus einer der Karsthöhle
amsüdlichen Ende des Dorfes. Die Höhle ist mehrere
hundertMeter lang und die zweitgrößte in Slowenien.
Größer ist nur noch die Höhle im 10 km entfernten
Postojna. Nach dem Abendessen saßen wir meist
noch über den Skripten, und Zoran undAndrej mach-
ten sich slowenische Notizen, mit denen sie hoffent-
lich auch Monate nach dem Kurs noch etwas anfan-
gen können.
Unser Plan, bei Gelegenheit eine kleine touristische
Runde zu drehen, blieb dabei immer auf der Strecke.
Als wir dann am Donnerstagabend endlich nach
Postojna kamen, wurdenwir schon auf demParkplatz
der Pivka-Höhle vom Sicherheitsdienst abgefangen.
An der endlosen Zeile von geschlossenen Souvenirlä-
den durften wir noch vorbeischlendern, aber von der
Höhle selbst gab es nichts mehr zu sehen. Wir be-
schlossen, auf demRückweg an der Höhle in Planina
zu halten undmussten dann doch lachen, als wir uns
im Stockdunklen mit Lampen zum Höhleneingang
pirschten. Aber andererseits ist die Tageszeit für den
Besuch einer Höhle tatsächlich egal. Der Fluss, der
durch das Hochwasser mit einemgigantischen Volu-
men aus demHöhleneingang schoss und die Dunkel-
heit machten diesen kurzen Ausflug zu einem ganz
besonderen Erlebnis.
Der Theorieunterricht braucht auf einem Kurs, der
mehr oder weniger dreisprachig abläuft, etwas mehr
Zeit. Dafür hatte ich aber mit nur zwei Teilnehmern
mehr Möglichkeiten in der Praxis, um Wunschthe-
men wie die Arbeit mit gebremsten und ungebrems-
ten Seilbahnen zu behandeln. In Deutschland kom-
men viele Kletterer auf den SKT-B-Kurs, weil sie un-
bedingt den Schein brauchen, damit sie endlich legal
mit der Motorsäge im Baum arbeiten dürfen. Einige
haben durchaus schon Erfahrungen auf dem Gebiet,
und dasmacht denKursmitunter sogar leichter, auch
für den Ausbilder. Erfreulicherweise ist der Prozent-
satz der Kletterer geringer geworden, die amMontag
erklären, dass sie seit 20 Jahren klettern, alles kön-
nen und eigentlich nur noch pro forma angemeldet
sind – und das auch nur, weil Deutschland so büro-
kratisch ist. Leider hat sich nach meiner Erfahrung
herausgestellt, dass genau diese Kletterer den Kurs
oft nötiger brauchten als diejenigen, die erst seit drei
Jahren klettern.
Ich fand es sehr erfrischend, Kletterer zu unterrich-
ten, die nicht in erster Linie an dem Zertifikat inte-
ressiert waren, sondern die vor allem lernen wollten
und zwar so viel, wie man in einer Woche unterbrin-
gen kann. Zoran und Andrej planen schon den näch-
stenKurs. Diesmal soll es eine Kombination aus Rig-
ging und Rettung werden. Ich lade inzwischen die
Akkus meiner Stirnlampe für das nächtliche Touri-
stenprogramm.
Auf dem Ausbildertreffen im Januar habe ich im
Spaß gesagt, dass ich 2013 nicht unbedingt die deut-
schen Kurse geben möchte, sondern vordergründig
für die Fortsetzung der SLO-Motion zur Verfügung
stehe. Jetzt habe ichmich vor denGlobus gesetzt und
nach Zielen gesucht - Slostralien, Slorgentinien oder
auch Slorwegen kämenmir sofort in den Sinn.
Aber bestimmt wird es nicht anders als zur Planung
des Sommerurlaubs. Nachdem alle exotischen Ziele
und Wünsche geprüft und besprochen sind, blinzle
ich tief zufrieden und sehr glücklich in die Sonne von
Slocklenburg-Vorpommern.
Diplomingenieur für Forstwissenschaft,
Firmeninhaber der Fa. happy-tree.
Seit 9 Jahren Ausbildungsleiter
imTeamderMünchner Baumkletterschule.
Bernhard Schütte
kletterblatt 2013
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