Kletterblatt 2012 - page 98

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eine Frau und ich waren vor über fünf Jahren
mit einemWork & Holiday Visa nach Neusee-
land gekommen. Wir wollten dort gerne für ein Jahr
reisen und arbeiten, und auch sehen, wie es sich so in
Neuseeland leben lässt.
Kaum waren wir eine Woche dort gewesen, hatte
ich bereitsmeinen ersten Job bei einer kleinenBaum-
pflegefirma in Rotorua. Tim von den Rotorua Tree
Professionals nahmmich sowohl in seiner Firma als
auch in seinem Haus auf. Er war neugierig, welche
Ideen und Techniken ich aus Europa mitbrachte und
ich freute mich, aus erster Hand mehr über neu-
seeländische Baumpflege erfahren zu können.
Mein erster Arbeitstag mit Tim führte mir sofort
vor Augen wie unterschiedlich Baumpflege im inter-
nationalen Vergleich sein kann. Verwöhnt von mei-
nen sieben Jahren als freiberuflicher Kletterer in
Berlin, der immer jemanden für die Aufräumarbeiten
dabei hatte, fand ichmich plötzlich im, von Brombeer
überwucherten, Steilhangwieder, wo ichNadelgehölz
in den Häcksler schleppte. Natürlich regnete es in
Strömen. Darüberhinaus waren die einzigen Stiefel,
die ich mitgenommen hatte, SCARPA Pro Ascent,
nicht wirklich geeignet für diese Art von Arbeit. Ich
hatte Deutschlandmit der Erwartung verlassen, bald
sehr grosse Bäume klettern zu dürfen. Meine ersten
zweiMonate inNeuseeland lehrtenmich jedoch, dass
hier sehr viele Baumpf legefirmen auch Hecken
schneiden und allgemeine Gartenarbeiten erledigen.
Tim führte mich in die neuseeländischen Baum-
kletter-Meisterschaften ein. Ich hatte zwar einige
Male das deutsche Pendant besucht, war jedoch nie
zuvor aktiv involviert. In Neuseeland gibt es vier re-
gionale und einen nationalen Wettkampf. Die fünf
besten Kletterinnen und Kletterer aus den regio-
nalen Wettbewerben treten, neben den Teilneh-
menden des letztjährigenMasters Challenge, bei der
nationalen Meisterschaft an. Kletterer aus anderen
Ländern sind immer herzlichwillkommen an den re-
gionalen Wettbewerben teilzunehmen und können
sich auch für eine Wild Card auf nationaler Ebene
bewerben.
Da ich nicht wirklich ein Wettbewerbstyp bin und
auch ständig Helfer gesucht sind, meldete ich mich
bei meiner ersten regionalenMeisterschaft inHamil-
ton als Freiwilliger für die Station „Rettung”. Es war
ein grossartiger Tag. Die entspannte Atmosphäre des
Wettbewerbs, die gegenseitige Unterstützung der-
Teilnehmenden, die herzlicheDankbarkeit gegenüber
allenHelfern, und das abschliessende typische Kiwi-
BBQmit Bier machten den Tag zu einem besonderen
Erlebnis. Seitdem bin ich bei fast allen neuseelän-
dischen Klettermeisterschaften dabei.
Viele Events werden von passionierten Einzelper-
sonen organisiert. Die „New Zealand Arboriculture
Association” (NZArbor) organisiert allerdings die
Meisterschaften und auch die jährliche Konferenz.
Sie ist der 32. Ortsverband der ISA und war der ein-
zige Baumpflegeverband in Neuseeland, bis im ver-
gangenen Jahr die „Northland Tree Climbin Associ-
ation” (NTCA) gegründet wurde. Zur Förderung si-
cherer Kletterpraktiken organisiert die NTCA jähr-
liche Rettungsworkshops und Arbor Camps in der
nördlichstenRegion des Landes. Diese Events tragen
sehr zur beruflichenWeiterbildung bei, sind äußerst
familienfreundlich, und bieten diverse Aktivitäten
an, die einfach Spaß machen (z.B. Flying Fox, Kin-
derklettern). Die Arbor Camps haben hier eine lange
Tradition, und seit 2011 werden nun jährlich drei ver-
schiedene Camps vom Norden bis zum Süden Neu-
seelands stattfinden.
WorldWide Baumpflege
Ein Blick
nach Neuseeland
Baumpflege und Baumklettermeisterschaften gibt
es weltweit und ist doch überall anders. Andreas Ross
lebt in Neuseeland und weiß, der Unterschied ist
nicht nur das Kiwi-BBQ mit landestypischem Bier.
Ein Bericht von Andreas Ross.
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