Kletterblatt 2011 - page 86

Der Erneuerungsschnitt soll das
physiologische Gleichgewicht des
Baumes wiederherstellen (erneu-
ern).
Baumzustand:
DieVitalität des Baumes ist deut-
lichbeeinträchtigt. Eswird fast nur
noch Fruchtholz mit Blütenknos-
pen gebildet. Die so verminderte
Bildung von Assimilaten schwächt
den gesamten Baum und führt
dazu, dass der Baum schneller al-
tert. Die Äste der untersten Ge-
rüstastetage laden weit aus. Die
Sichtkontrolle ergabbis auf diewei-
te Ausladung der Äste keine Hin-
weise auf eine nennenswerte Be-
einträchtigung der Stabilität. Die
Astanbindung ist gut, auch sind am
Stamm in unmittelbarer Nähe der
AstansätzekeineSchädenwieFäu-
le oder Stammrisse erkennbar.
Schnittmaßnahme
„Kronerneuerungsschnitt“
(Verjüngungsschnitt):
Der Erneuerungsschnitt beinhal-
tet den Fruchtholzschnitt und die
Verjüngung des Kronengerüsts,
also eine Reduzierung der Kronen-
ausdehnung. Das Auslichten des
Fruchtholzes konzentriert sich auf
die Kronenperipherie und sorgt so
für Lichtachsen bis ins Kronenin-
nere. Das geht Hand in Hand mit
der zur Belebung der Gesamtkrone
notwendigen Einkürzung der Kro-
nenausdehnung. Kroneneinkür-
zung und Fruchtholzschnitt füh-
ren zu einer Anpassung der Krone
andieWurzelleistungunddamit zu
einer besseren Versorgung des ver-
bleibendenHolzes. Der Baumkann
nun Nährstoffe wieder in Trieb-
wachstum umsetzen und sich ver-
jüngen.
Als Nebeneffekt werden die we-
gen ihrer Ausladung etwas insta-
bilen Gerüstäste durch die Kro-
neneinkürzung im Rahmen des
Erneuerungsschnittes entlastet.
Eine stärkere Einkürzung inForm
einer eigenständigen Maßnahme
ist zunächst nicht notwendig. Sie
werden in weiteren Arbeitsschrit-
ten in den Folgejahren aber in
Höhe und Ausdehnung weiter be-
grenzt und stabilisiert. Die steile
Stellung von Leitastverlänge-
rungen ist erwünscht undwird be-
lassen. Sie hilft, eine eventuelle
übermäßige Triebbildung des
Baumes zu verhindern bzw.
schneller zu beruhigen, die durch
einen zu starken Eingriff provo-
ziert würde. Junge Langtriebe las-
sen sich an steilen Achsen leichter
unterordnen und zu Fruchtästen
formieren. Die steile Hauptachse
selbst ist statisch sehr viel gün-
stiger zu beurteilen als flache Ge-
rüstastverlängerungen.
Beim Erneuerungsschnitt wer-
den idealerweise vorwiegend die
Fein- undSchwachäste inder Peri-
pherie bearbeitet. Er ist dadurch
zwar aufwändig, aber durchdie ge-
ringen Wundgrößen auch sehr
baumschonend.
Erneuerungsschnitt – der vergreiste Baum
Vergreister Apfelbaum vor dem
Erneuerungsschnitt
Der Baum nach einem Erneuerungsschnitt
geringer Intensität (ca. 20% - 25% entnommene
Holzmasse
Der gleiche Baum nach einem Erneuerungsschnitt
mittlerer Intensität (ca. 30-35% entnommene
Holzmasse)
Apfelbaum vor und nach einem Erneuerungsschnitt. Das zweite Bild zeigt die geringere Eingriffsstärke, das dritte Bild eine etwa mittlere
Intensität bezogen auf die entnommene Blattmasse (gemessen an den entfernten Fein- und Schwachästen).
eingekürzt. Die anderen Gerüst-
achsen müssen deutlich weniger
entlastet werden. AlleweiterenBe-
reiche desBaumes, z.B. die Stamm-
verlängerung oder das Fruchtholz,
bleibenmehr oderweniger unbear-
beitet. Eine zu geringe Entlastung
könnte dazu führen, dass der Ast
abreißt und trotz der vorausgegan-
genen Pflege dauerhaft stark ge-
schädigt wird. Wird die Krone
stark eingekürzt, sind Astentnah-
men auch im Starkastbereich not-
wendig (Äste über 10 cm Durch-
messer) mit der Gefahr zukünf-
tiger Schäden durch Fäulnis. Eine
Kroneneinkürzung konzentriert
sich gezielt auf die instabilen Be-
reiche, ohne zunächst auf die Ver-
jüngung der Gesamtkrone zu ach-
ten.
Baumpflege
Praxis
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