Kletterblatt 2011 - page 16

kletterblatt 2011
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Stammdicke gerät man immer wieder ins Staunen.
Plötzlich taucht ein Baum vor uns auf, der schon
durch seinen Stammumfang erahnen lässt, dass es
sichumeinender richtighohenaltenundehrwürdigen
Riesen handelt. Wir hatten jetzt die Untersuchungs-
fläche erreicht und erfuhren, dass diese zu den Flä-
chen mit der weltweit höchsten Holzmasse pro Hek-
tar zählt. Das ist nicht verwunderlich, denn selbst
nach über 1500 Jahren Wachstum nimmt der jähr-
licheHolzuwachs bei einemMammutbaumnicht ab.
Dieses Mal begleiteten wir Steve in den Baum und
lernten von ihmsehr viel über die Biologie der Riesen-
mammuts. Der ausgewählte Riese war nicht nur we-
gen seines Umfangs und Alters von geschätzten 1500
bis 2000 Jahren so beeindruckend, das hatten auch
die anderen umstehenden Bäume auf dieser Untersu-
chungsfläche. Was ihn von den anderen unterschied,
war die Masse an Zapfen. Jeder Zapfenpflücker wäre
begeistert gewesen. Bei den Riesenmammutbäumen
gibt es zwei Arten von Zapfen. Solche, die normal
wachsen und reifen wie an anderen Koniferen auch,
und solche, die jahrelang im grünen Zustand verhar-
ren. Es gibt Zapfen, die über 20 Jahre am Baum hän-
gen, ihre grüne Farbe behalten und erst dann reifen,
wenn dieHitze eines Feuers amBaumdurchzieht. Die
reifen Samen fallen dann nach demFeuer auf offenen
Boden. DieseTaktik verschafft denBäumen einenSe-
lektionsvorteil. Mammut-Keimlinge und auch Jung-
bäume haben nur in offener Fläche Chancen, sich zu
vermehren, ein seltenes Ereignis, da die Jungbäume
zudemnochnicht dendickenRindenschutz habenwie
die Altbäume und deshalb die Feuerbrände meist
nicht überleben.
Amdarauf folgenden Tag konnte Hubert imkletter-
technisch interessantesten Baum unserer Reise zei-
gen, was ein „deutscher Baumpfleger“ drauf hat. In 75
Metern Höhe musste ein ausladender Starkast ent-
nommenwerden. Stamm-, Ast- undBlattmasse sowie
sämtliche Zapfen solltenmöglichst ohne Verlust mit-
tels Lastsack (BigPack) nach unten gebracht werden.
Mit Technik und Raffinesse meisterte Hubert diese
Aufgabe, was ihm den vollen Respekt der Forscher-
Crew einbrachte.
Mir wurde eine leichtere Arbeit zugewiesen: vom
Nachbarbaum, mit 87 Metern der höchste in dieser
Untersuchungsfläche, war ich dafür zuständig, diese
Aktion auf Fotos festzuhalten. Dabei hatte ich genü-
gend Zeit, die Umgebung auf mich wirken zu lassen.
Der Unterschied zwischen demWind am Boden und
in 87MeternHöhe ist gigantisch. Mir fiel auf, dass die
starken Schwankungen der oberen Baumkrone bei
mir keinerlei Ängste auslösten. Eine Erklärung dafür
könnte sein, dass die Äste bei alten Riesenmammuts
fast bis in die Spitze relativ stark sind, was Sicherheit
vermittelt. Unwahrscheinlich ist das Ausbrechen der
Kronenspitze jedoch nicht, im Gegenteil. Fast jeder
der Baumriesen verliert im Laufe seiner Lebenszeit
oft mehrmals die Kronenspitze durch Stürme oder
durchBlitze. Statistisch gesehen aber ein seltenes Er-
eignis, wenn so ein Baumalle paar hundert Jahremal
die Spitze verliert.
Die Tage, diewir gemeinsammit denForschern ver-
bracht haben, waren sehr lehrreich und intensiv. Für
unswar es eine Ehre, mit denForschern das Reich der
Riesen kennenzulernen. Aber auch für die Forscher
TOP
Helmspitze 95,66 Meter
Blick von oben
hinunter auf den höchsten
Riesenmammutbaum
der Welt.
Exakte Höhe: 94,86 m
(wissenschaftlich ermittelt)
Geschätztes Alter:
1500 bis 2000 Jahre
We got it!
1...,6,7,8,9,10,11,12,13,14,15 17,18,19,20,21,22,23,24,25,26,...132
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