Kletterblatt 2006 - page 30

Thema
kletterblatt
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Übungsbedingungen führen
auch zu einem unterschiedli-
chen Kletterniveau. Als Ausbil-
der erwarten wir am Montag
auf dem B-Kurs keine Anwär-
ter auf Klettermeisterschaften,
aber wir können auch nicht
mehr Prusikeinbau und Hüft-
schwungtechnik wiederholen!
300 Stunden hin oder her, die
vermittelten Ausrüstungs- und
Klettertechniken des A-Kurses
müssen als Grundlage für den
B-Kurs souverän beherrscht
werden.
Innovationsmuffel und
Ausrüstungsfetischisten
Am Beginn eines B-Kurses
treffen sich Teilnehmer, die
sich nach ihrem A-Kurs auf
ganz unterschiedliche Levels
weiterentwickelt haben. Auch
die Einstellungen zu Ausrüs-
tung und Anwendungstechni-
ken können ganz unterschied-
lich sein. Im Verlauf der Kurs-
woche ist es natürlich einfach,
einem Ausrüstungsfreak die
neusten Produkte und Anwen-
dungsmöglichkeiten vorzu-
stellen und sie von ihm testen
zu lassen. Schwierig wird es,
einen Innovationsmuffel da-
von zu überzeugen, dass ein
Distel-Klemmknoten, wenn er
beherrscht wird, komfortabler
ist als ein Prusik – ohne über-
haupt den Lockjack erwähnt
zu haben. Innovation ist nicht
immer gleichzusetzen mit
überflüssigem Schnickschnack,
sondern kann höheren Klet-
terkomfort und somit größere
Effizienz bedeuten. Und hier
haben wir auch ein Ziel des B-
Kurses: zu vermitteln, wo die
vorgestellten Ausrüstungs-
und Anwendungstricks ihren
berechtigten Platz auf der
Baustelle haben.
Neue Ansprüche –
alte Gewohnheiten
und die Motorsäge
Neuen Herausforderungen
müssen sich die Teilnehmer
schon gleich am Montag stel-
len. Da wären z. B. die an-
spruchsvollen Aufstiegstechni-
ken an fixen Seilen. Diese
Techniken sind unerlässlich für
eine schnelle Kollegenrettung,
aber auch für den täglichen
Baustellenablauf von großem
Vorteil. Es ist schön zu beob-
achten, wie viele Teilnehmer
in nur wenigen Tagen diese
für sie neue Herausforderung
souverän bewältigen. Weniger
schön zu beobachten sind al-
lerdings alte und leider oft
gefährliche Gewohnheiten,
z.B. im Umgang mit der Mo-
torsäge: dass es eine Ketten-
bremse gibt, ist für manche
Teilnehmer neu. Das ist häufig
das Ergebnis von fahrlässiger
innerbetrieblicher „Weiterbil-
dung“. Mit einer qualifizierten
Fortbildung hat dies nichts zu
tun. Wie auf der Baustelle, so
ist auch auf dem B-Kurs beim
Einsatz einfacher Rigging-
Techniken (Seilablass-Techni-
ken) die Teamarbeit unerläss-
lich. „Und wehe, das Boden-
personal sieht nicht, wenn der
Kletterer die Blockrolle falsch
einbaut …“
B-Kurs und was dann?
Eine der Prüfungsziele des B-
Kurses beinhaltet den Einsatz
der Motorsäge am Seil in Zu-
sammenhang mit einem ein-
fachen Rigging-System. Die-
ses Ziel ist mit einer professio-
nellen Ausbildung in der Regel
auch einfach zu erreichen.
Doch trotz des souverän er-
reichten Prüfungszieles wer-
den die B-Kurs Absolventen
früher oder später mit viel
größeren Herausforderungen
in Bezug auf Motorsägenein-
satz und Rigging konfrontiert.
Damit für diese Anforderun-
gen nicht aufwendig und zeit-
intensiv das Rad neu erfunden
werden muss, macht es Sinn,
einen speziellen Rigging-Kurs
zu besuchen. Dort bekom-
men erfahrene B-Kurs Absol-
venten Lösungen für komple-
xe Rigging-Herausforderun-
gen und schwere Motorsä-
geneinsätze gezeigt. Nach
dem B-Kurs fängt sozusagen
die Freiheit wieder an, näm-
lich die Kletterkurse zu besu-
chen, die man machen möch-
te, ohne Druck und ohne Vor-
schrift: freiwillig und hoch
motiviert. Sehen wir uns?
D
Ausbilder der MBKS,
Baumpfleger, zertifi-
zierter Höhenarbei-
ter und Höhenretter.
Inhaber der Firmen
„Erlebnis-Baum“,
„GRIP“- seilunterstütze Arbeitstechni-
ken sowie Mitinhaber von Kletterwerk.
Der Autor
Willi Freese
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