Natürlich mache ich immer so einen Augenauf-
schlag und schlucke, wenn ich einen gekappten
Baum sehe. Aber es bringt nichts, wenn ich mich
jedes Mal aufrege. Das zieht mich eher runter,
gibt mir negative Energie. Ich versuche mehr das
Positive, das Schöne in mich aufzunehmen, sonst
hätte ich bald keine Energie mehr, um mich für
Bäume einzusetzen.
Wer sind deine Mentoren, Vorbilder?
Bäume sind meine Vorbilder. Von denen kann
man auch viel lernen. Ansonsten Prof. Alex Shigo,
Wie ist das, wenn man ständig unterwegs ist,
wenn das eigene Haus vier Räder hat?
Kurz mit Freunden ein Bier in einer Kneipe
ist da wohl die Ausnahme?
Ich fahre so 25.000 Kilometer im Jahr. Das ist
bestimmt weniger als viele Baumpfleger, die nur
lokal arbeiten und immer vom Wohnort aus die
Fahrten machen.
Und mit dem Biertrinken habe ich es sowieso
nicht. Aber im Ernst: Ich komme von der Schwä-
bischen Alb, und in dem Dorf kenne ich natürlich
jeden. Wenn ich mal dort hinfahre, dann bin ich
bei der Fahrt durchs Dorf mehr am Winken als
am Lenken. Das ist natürlich immer ein schönes
Gefühl. Unterwegs kenne ich natürlich auch über-
all meine Leute. Aber ich bin auch gerne allein im
Wald.
Es hat eben alles seine Vor- und Nachteile. Natür-
lich gibt es Dinge, die ich gerne regelmäßiger ma-
chen würde, die aber durch das permanente Un-
terwegssein nicht zu machen sind. Der LKW, so-
weit man ihn noch so nennen kann, ist eben
mein Zuhause. Aber einsam bin ich nicht. Ich
treffe unterwegs regelmäßig interessante Men-
schen: Fremde, Bekannte, Freunde.
Bist du noch häufig im Ausland?
Ja. Ich war jetzt wieder in Neuseeland, um Klet-
terkurse zu geben.
Aus Deutschland nach Neuseeland: Erwartet
man dort Bernd Strasser oder den Weltmeister?
Beides. Ich lerne natürlich bei den Weltmeister-
schaften Leute aus der ganzen Welt kennen. So
entstehen Kontakte. Natürlich ist das einfacher
mit dem Weltmeistertitel. Da steigt hier und im
Ausland die Nachfrage. In Neuseeland hat ein
Kollege, der Paul, die Kurse ausgeschrieben und
die waren dann auch ruck, zuck alle überfüllt.
Ich genieße es aber auch, die verschiedenen Be-
trachtungsweisen in den verschiedenen Ländern
zu sehen, was die Bäume angeht. Und ich bin
halt einfach gerne unterwegs.
Die Kollegen kommen dann auch zu mir. Paul,
der Kollege aus Neuseeland, war z.B. ein paar
Wochen hier mit mir unterwegs.
Ist es für dich ein Unterschied, ob du 50, 100
oder 300 Meter hoch kletterst? Hast du nie das
Gefühl, jetzt reicht es aber? Oder anders: Hast
du nie Angst?
In diesem speziellen Fall: Nein.
Wenn man Angst vor der Höhe hat, muss man
sich vielleicht der Herausforderung stellen - z.B.
bei einer Wanderung durch den Hochseilgarten.
Früher war mein Lebensziel die Einsamkeit. Ein
Blockhaus irgendwo in der Pampa in Kanada.
Und jetzt ist genau das Gegenteil passiert. Ich
stehe immer mehr im Fokus. Das ist für mich
auch eine Herausforderung, der ich mich stellen
darf. Bei der Höhe ist es natürlich etwas anders.
Aber wenn ich mein Material kenne, und wenn
ich weiß, wer mich mit was sichert, dann kann
ich die Herausforderung angehen. Ich denke, es
ist ein wesentlich höheres Risiko, mit einem Auto
auf der Straße zu fahren.
Interview
kletterblatt
05
12