Kletterblatt 2005 - page 10

deiner Homepage wirbst Du für das „Baum-
kletterteam“. Wo ist Dein Team?
Wir treten als Team auf, aber jeder ist für sich
selbständig. Wir schließen uns nur bei Bedarf zum
Team zusammen, wenn es um größere Aufträge
geht. Für kleinere Aufträge gibt es Grüppchen.
Wie organisiert man so eine Gruppe von Indivi-
dualisten? Gibt es jemanden, der gesamtverant-
wortlich ist?
Wir treffen uns immer wieder und machen dann
größere Aufträge zusammen. Das wird irgendwie
organisiert, aber es läuft eigentlich ganz gut so.
Der, über den der Auftrag läuft, organisiert alles
und rechnet ab. Entweder wird einer für das Team
angesprochen, oder es beteiligt sich einer an Aus-
schreibungen. Und der stellt dann das „Baumklet-
terteam“ zusammen. Wir reden immer ganz offen,
z.B. über das Geld, und wir sprechen es natürlich
ab, wenn einer ein größeres Angebot schreibt. Das
hat bis jetzt immer ohne Probleme funktioniert.
Wie siehst Du das Verhältnis Klettern und
Pflegen und wie bewertest Du die Ausbildung
zum Baumpfleger?
Das Problem ist, dass die Bezeichnung Baumpfle-
ger nicht geschützt ist. Weil das so ist, nennen
sich jetzt viele Baumpfleger, ohne dass sie richtige
Kenntnisse der Baumpflege haben.
Natürlich braucht, wer sicher und effektiv in den
Baum will, eine gute Kletterausbildung. Nicht je-
der, der meint, er könne klettern, z.B. in den Fel-
sen, kommt auch sicher in den Baum. Weil es da
noch sehr viele baumspezifische Dinge zu berück-
sichtigen gilt. Aber nicht jeder, der sicher in den
Baum kommt, kann auch schon pflegen. Manche
machen einen Kletterkurs und legen dann los.
Haben aber wenig Ahnung von Baumbiologie,
Schnittmaßnahmen oder Baumpflege. Da gibt es
keine Kurse, die besucht werden müssen, wie für
das Arbeiten mit der Motorsäge im Baum. Und
gutes Klettern reicht eben für die Pflege nicht aus.
Zwischenzeitlich bin ich mir nicht mehr so sicher,
ob Lobbyarbeit für Baumpfleger wirklich dem
Wohl der Bäume dient.
Du arbeitest auch an der Weiterbildung der
Klettertechnik im Baum. Trendsetter, sagen
manche. An was arbeitest Du jetzt zur Zeit?
Ich spiele immer wieder mit neuen Ideen. Jetzt ge-
rade habe ich eine Idee für einen neuen Kletter-
gurt, eins von vielen Projekten, an denen ich zu-
sammen mit Marc Bridge und Chris Cowell, den
Kollegen von Treemagineers arbeite. Aber das
muss noch wachsen, weil meine bzw. unsere An-
sprüche groß sind. Aber er kommt.
Noch geheim?
Noch nicht spruchreif.
Schaffst du dir hier schon ein Standbein für die
Zeit nach dem Klettern?
Ich mache mir keine Sorgen oder Gedanken über
die Zukunft, wenn ich irgendwann mal nicht
mehr klettern sollte. Ich denke nicht, dass das Al-
ter ein einschränkender Faktor ist.
Doch ich hüte mich davor, zu sagen, ich könnte
nichts anderes tun. Aber meine Berufung ist mir
zum Beruf geworden.
„Leben.
Einzeln und frei wie ein Baum.
Und brüderlich wie ein Wald.
Das ist unsere Sehnsucht.“
Diesen Schlussvers eines Gedichts von Nazim
Hikmet zitierst Du auf deiner Homepage.
Dein Lebensmotto?
Das gibt schon das wieder, was ich denke.
Es ist ganz wichtig, die Bäume mit viel Feingefühl
zu betrachten, sie als Lebewesen anzusehen und
ihnen mit Respekt zu begegnen. Da ist nicht nur
ein toter Holzkörper. Ein Baum lebt. Der Baum
reagiert auf Gedanken und Emotionen. Wie über-
haupt jede Pflanze. Wir können ohne Bäume
nicht leben. Sie können es ohne uns.
Du sprichst von den Bäumen als Lebewesen.
Was konkret heißt das für dich?
Ein Baum wächst. Und alles, was wächst, lebt. Und
alles, was lebt, hat Gefühle. Bäume in ihrer Ganz-
heit strahlen halt eine bestimmte Energie aus. Ein
gekappter Baum z.B. macht dies nicht mehr. Er ist
in seiner Würde zerstört. Mir ist einfach wichtig,
dass jeder, der mit Bäumen arbeitet, in seiner Be-
trachtungsweise Bäume als Lebewesen wahrnimmt
und nicht nur als einen Holzkörper, der einen Auf-
trag darstellt und Geld in die Kasse bringt.
Interview
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