festsetzte und tief indieKöpfe ein-
brannte. Solche Dinge aus Köpfen
undBüchernwieder zu verbannen,
ist sehr mühsam und langwierig.
Man kennt das Beispiel mit dem
angeblich hohen Eisengehalt in
Spinat. Jahrzehntelang galt dies
alswissenschaftlichbewiesenund
war allgemeines und fest veran-
kertes Wissen bei allen Eltern.
Selbst lange noch, nachdem klar
war, dass ein falschgesetztesKom-
ma in der späteren Literatur den
Eisengehalt verzehnfacht hatte.
Mein Plädoyer: Wir müssen uns
offen dazu bekennen, waswirwis-
sen und was nicht und das auch
immerwieder in der Sprache deut-
lich machen. Dann heißt es eben
nicht „so ist es“, sondern:
❚
Wir gehen derzeit davon aus …
❚
Wir vermuten .
❚
Es ist noch nicht genau geklärt …
❚
Es scheint so zu sein …
❚
Es zeigt sich die Tendenz ...
usw.
Solche Sätze hört man viel zu we-
nig. Wahrscheinlich glauben viele
Experten, dass sie nur dann als
Autorität gelten, wenn sie keine
Zweifel hätten. Mir sind die lieber,
die offen und ehrlich auch die
Grenzen ihres Wissens nennen.
Denn die Grenzen sind genau das,
was uns interessieren sollte.
Mir fallen spontan einige
Fragen ein, die ich gerne weiter
untersucht haben wollte:
❚
Welche Gewichtung haben
Schnittführung und Schnitt-
zeit auf die Langlebigkeit von
Bäumen?
❚
Wie reagieren Bäume physiolo-
gisch in denWintermonaten
bei unterschiedlichenWinter-
bedingungen (milde und stren-
geWinter)?
❚
Welchen Einfluss hat Baum-
schnitt auf die Entwicklung
von Schädlingen bzw. bio-
tischen Schadfaktoren bei
Schnitt während der verschie-
denen phänologischen Phasen?
❚
Wie ist die Empfindlichkeit auf
verschiedene Baumschnitt-
maßnahmen in den einzelnen
Lebensphasen von Bäumen
auch in Bezug auf die Stärke
des Schnitteingriffes?
❚
Welche Bedeutung hat die
Reservestoff-Verfügbarkeit
auf verschiedene Schnittmaß-
nahmen zu unterschiedlichen
Schnittzeiten?
Diese Fragen sind nur eine kleine
Auswahl und sehr allgemein ge-
fasst.
Vielleicht kommenwirmit Ergeb-
nissen weiter, wenn wir die große
Anzahl an benötigten Wiederho-
lungen, die für signifikante Ergeb-
nisse notwendig sind, durch das
Sammeln von Erfahrungsberich-
ten von vielen Praktikern auf der
ganzen Welt zusammen bekom-
men. Und dann gibt es ja auchnoch
Diplom- und Doktorarbeiten.
Wenn 200 Diplomanden und 20
Doktoranden fleißig arbeiten und
sammeln, kommen wir sicherlich
in den nächsten Jahrzehnten ein
gutes Stück voran.
Die eigenen Erfahrungen werden
wohl noch eine Weile herhalten
müssen für BewertungenundEnt-
scheidungen. Was erst mal bleibt,
ist eine große Unsicherheit, aber
auch großer Respekt vor derNatur.
Johannes Bilharz
Baumpflege
Praxis