Kletterblatt 2004 - page 22

N
icht jeder Kletterer ist ein
guter Bodenmann - und um-
gekehrt. Das dürfte wohl je-
dem klar sein. Dass aber das
gute oder fast perfekte Zu-
sammenspiel von “Oben”
und “Unten” leistungsstei-
gernd sein kann, ist vielleicht
nicht mehr jedem klar. Die
Arbeitsleistung kann sich, bei
gleicher oder größerer Sicher-
heit, leicht verdoppeln.
Die Praxis sieht leider oft
anders aus, wobei man drei
Gruppen von Firmen unter-
scheiden kann:
• Erstens gibt es Gartenbau-
betriebe, die ab und zu mal
einen Baum abholzen, was
wie folgt aussieht:
Leiter ran, Seil dran, absägen.
• Zweitens gibt es semipro-
fessionelle Firmen, die aus
einem selbstständigen Klette-
rer und einem mehr oder we-
niger gut ausgebildetem
Hilfsteam bestehen. Dabei ist
oft kein zweiter Kletterer an-
wesend, der retten könnte.
Bei beiden Gruppen ist die
Arbeit mühsamer und gefähr-
licher als nötig. Bestimmun-
gen der BG werden nicht ein-
gehalten, bei einem Unfall
droht Ärger mit Gesetz und
Versicherung.
• Drittens gibt es die Profis:
Wo also die Kletterer in den
ersten beiden Gruppen schnell
an ihre durch die Muskelkraft
bestimmte Grenze kommen
und Gewichte nur unter gro-
ßer Gefahr für alle Beteiligten
händeln, kann der Profi diese
Grenze durch Einsatz von Rig-
gingsystemen verschieben.
Riggingsysteme sind Seil-
systeme, die es in Verbindung
mit Bremsgeräten erlauben,
selbst Gewichte von mehreren
hundert Kilo ohne einen nen-
nenswerten Fangstoß sanft zu
Boden zu lassen. Aus Sicher-
heitsgründen sind das Kletter-
seilsystem und das Riggingseil-
system strikt zu trennen und
dürfen nie vermischt werden.
Der alleinige Einsatz von
Technik bringt allerdings nicht
den gewünschten Erfolg, der
Weg führt über geschultes Bo-
denpersonal. Damit der Klet-
terer seine Arbeit möglichst
ohne störende Einflüsse erle-
digen kann, fallen dem Bo-
denpersonal mehrere Aufga-
ben zu, die sich aber am be-
sten in einer Person konzen-
trieren: dem Bodenmann. Er
sorgt für ein sicheres Umfeld
am Boden, d.h. er dirigiert
die restlichen Mitarbeiter und
sorgt mit für deren Sicherheit
durch ständigen Blickkontakt
zum Kletterer.
Der Bodenmann kontrolliert
alle Tätigkeiten des Kletterers
als Rückversicherung für den
Kletterer und die Bodenmann-
schaft, dazu gehören u. a.
• Kontrolle des Ankerpunktes
vom Ablassseil
• Kontrolle von Anbinde-
punkten an Lasten
• Seilhygiene zwischen Ab-
lass- und Kletterseil
Er bedient das Bremssystem
und sitzt quasi wie eine Spin-
ne im Netz, die alle Fäden in
der Hand hat, ist sozusagen
das Bindeglied zwischen den
oben und unten Arbeitenden.
Um all diese Dinge leisten
zu können, ist es unabding-
bar, dass der Bodenmann
auch klettern kann, denn nur
so kann er die Aktionen des
Kletterers bewerten, um Un-
fälle zu vermeiden und im
Notfall auch retten zu können.
Dazu ist eine gute Kommu-
nikation zwischen Kletterer
und Bodenmann nötig, Kritik
muss als absolut positiv und
notwendig verstanden wer-
den. Sonst sind Fehler vor-
programmiert, die in diesem
Beruf lebensgefährlich sein
können.
Dabei ist das Gefühl des sich
aufeinander verlassen Kön-
nens für Kletterer und Boden-
mannschaft äußerst wichtig.
Niemand arbeitet gerne „un-
ter“ einem Kletterer ,der un-
berechenbar mit Ästen von
oben schmeißt, und kein
Kletterer möchte das Gefühl
haben, Rodeo zu reiten,
wenn der Bodenmann am
Bremsgerät versagt.
Zusätzlich ist es für den
Kletterer sicher ein schönes
Gefühl, im Fall der Fälle zu
wissen, er wird gerettet. Also:
Auf gute Zusammenarbeit.
Thema
kletter
blatt
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geb. 7.9.1966 in
Mülheim / Ruhr
Abitur 1985
Zivildienst
Schlosserlehre
Studium Maschinenbau
Design und Herstellung baubiologi-
scher Möbel aus Holz und Stahl
seit 1999 tätig als Baumpfleger Fa.
Benk Baum u. Boden
Leiter Bodenmannschaft
Kletterer mit B-Schein bei der
Münchner Baumkletterschule
Der Autor:
Andreas
Köhler
Die überragende Bedeutung des Bodenmannes beim Rigging
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