kletterblatt 2016
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Gesundheit
Thema
meist ergonomischer, direkt an ihmzu klettern.Wann im-
mer ein Ast zur Verfügung steht, auf den ich steigen kann
oder an dem ichmich festhalten kann, nutze ich ihn. Mich
amSystemseil hochzuziehen beinhaltet: feinmotorisches
Greifen unter Last, Belastung der Arme unter erzwun-
gener Haltung der Schultern. Auf einenAst zu steigen, be-
nutzt die Beinmuskeln, die wesentlich größer, und dafür
gemacht sind, unser gesamtes Körpergewicht zu tragen.
Einen Ast zu greifen ,lässt das Handgelenk meist in neu-
traler Position. Außerdembedeutet die Dynamik des Seils
bei jedem Schritt einen Kraftverlust.
Lieber höher steigen, als weiter greifen. Was beim Fels-
klettern gilt, gilt auch bei uns: anstatt mit weit ausge-
strecktenArmen nach einemAst oder demSeil zu greifen,
sollte der Blick lieber nach unten gehen und den nächsten
Tritt für den Fuß suchen, damit wir mit dem ganzen Kör-
per aufsteigen können und dafür die großen Oberschen-
kelmuskeln nutzen, anstatt Arme und Schultern überzu-
strapazieren.
Auch ein sauberer und reibungsfreier Seilverlaufmitmög-
lichst engem Seilwinkel ist hilfreich. Das fängt schon bei
derWahl des Ankerpunktes an. Auchwenn ich nur imun-
teren Kronenbereich arbeiten muss, ankere ich immer so
hochwiemöglich. ImZweifelsfall muss ich doch noch ein-
mal weiter raus oder höher als vorher gedacht, und spare
so viel Kraft mit günstigen Seilwinkeln. Auch Tricks wie
das Vorlegen des Seils, System über eine Astgabel ziehen,
V-Rig basteln oder einfach einmal kurzsichern und Klet-
tersystemumeinen Ast legen, anstatt darüber zu steigen,
erleichtern die Arbeit enorm. Jeder Meter Auf- und Ab-
stieg kostet Kraft, die mir woanders fehlt. Deshalb ver-
wende ich lieber etwas mehr Zeit mit der Seiltechnik, als
imWeg stehende Äste mit Kraft zu umschiffen.
Weiterhin achte ich darauf, auf welcher Seite des Körpers
meinSeil verläuft.Wer kennt das nicht, dass das Seil einen
nach schräg hinten vom Ast wegzieht? In so einem Fall
drehe ich mich einmal um 180° – 270°. Oder ich lockere
das System und ziehe es über meinen Kopf. Danach kann
ich mich ganz entspannt auf der anderen Seite des Astes
insSeil lehnenunddenAstmitmeinenFüßenwegdrücken.
Besonders kraftraubend kann das Besteigen eines weit
ausladenden Stämmlings oder Astes sein. Das liegt oft da-
ran, dasswir uns durchUnsicherheit innerlich anspannen
oder durch übertriebene Vorsichtsmaßnahmen (Fest-
klammern, 2. Kurzsicherung) in der Bewegungsfreiheit
einschränken. Hier hilft gezieltes Balancetraining (z. B.:
Slackline, Yoga, Kampfkunst) undVertrauen in die eigene
Einschätzung derTragfähigkeit der beidenSystemeBaum
und Seil. Auch folgende Technik hilft. Wenn es tangential
zum Seil schräg nach oben raus geht, nutze ich den seit-
lichen Catwalk: den Körper parallel zum Stämmling, das
Seil so eingestellt, dass es mich seitlich neben dem
Stämmling hält. Drei Gliedmaßen am Baum, eins wech-
selnd zwischen Baum und System, pirsche ich so den
Baum hinauf wie eine Katze (siehe Abb. 3).
Generell gilt: Kopf hoch, Füße am Baum, Gewicht zwi-
schen Seil und Baum ausbalancieren, Arme frei für
Klettersystem und Balance. Und wenn Du Dich mit den
Armen kurz halten musst, dann möglichst mit entspan-
nter Schulter und langemArm. Oder mit dem ganzen Un-
terarmumden Baum, anstatt mit der Hand amBaumund
angezogenemEllenbogen.
Positionierung am Arbeitsplatz:
Jede Muskelan-
spannung verbraucht Sauerstoff. Und wir haben nur eine
begrenzte Menge davon imBlut. Wenn ich also für meine
eigene Positionierung schon viel statischeHaltearbeit lei-
stenmuss, so habe ich nicht viel Puste für das Sägen (und
ggf. Ast halten und abwerfen) übrig. Bevor ich zur Säge
greife, achte ich darauf, dass ich entspannt stehe und bei-
de Arme frei habe. Dabei gilt:
Lieber mit dem gesamten Körper etwas höher hinaus,
als mich extrem strecken zu müssen.
Die Kurzsicherung außerhalb des eigenen Körpers an-
bringen, so dass sie gegen die Zugrichtung des Kletter-
systems zieht und ich mich im Zugdreieck entspannen
kann.
Am besten frontal zum Schnitt stehen, damit die Wir-
belsäule gerade belastet wird. Belastungen der Wirbel-
säulemit gedrehtemOberkörper wirken nämlich einsei-
tig auf dieWirbelgelenke und vergrößern das Risiko von
Verletzung und Abnutzung.
Für Arbeitsfreiheit am Boden sorgen (Achtung-Ruf,
beidseitige Kommunikation), damit es dann zügig zur
Sache gehen kann (siehe Abb. 4 und 5).
Handsägen:
Wenn ich mich entsprechend positioniert
habe, kann ich die Säge entspannt – ggf. mit beiden Hän-
den – halten. Das heißt: Die Hände greifen, die Handge-
lenke sind entspannt in Neutralposition. Und dann nutze
ich die Dynamik des gesamten Armes inkl. der Schulter
zumSägen. Wenn ich die Schulter anspanne, z. B. weil sie
den Arm hoch über meinem Kopf halten muss, dann
kommt alle Sägekraft aus denArmmuskeln, wobei der El-
Abb. 3
seitlicher Catwalk
©Lilli Breininger