Auch normal:
Nieselregen, 4 Tannen ab-
getragen, nicht viel Kohle
verdient und mir ist kalt. Ich
komme nach Hause und
der Anrufbeantworter
schnarrt: „Rückruf Firma
Gleistein bitte“. Ich rufe zu-
rück, Nina Stelling fragt
ganz harmlos: „Hast du
Lust nach Amerika zu flie-
gen“ – mir wird warm –
„auf der „Tatoosh“ müssen
neue Seile in die Davids ein-
gespleißt werden?“– ich bin
heiß – „Na klar!“. Die „Ta-
toosh“ wurde in Deutsch-
land gebaut und gehörte
dem Chef von Microsoft
„Bill G...“. Jetzt hat er sie
verkauft und der neue Eig-
ner plant ein Reefitt.
Die Firma bringt Tickets,
Handy, Kredit-Karte. Den
Rest mache ich. Über Bre-
men, Amsterdam geht es zu
den Amis. Dann Minnea-
polis und San Diego.
Doch dann muss gearbeitet werden. Gesichert
mit Gurt und Stahlstrop geht’s los. Als Auf-
stiegstechnik setzen wir 2 Kurzseilsicherungen
ein, die wir jeweils ein Stück rechts und dann
links am Stamm hochschieben. Diese Art des
Kletterns wird in der Dominikanischen Republik
verwendet. Auf den Malediven und Bali wird
ein Tuch zwischen die Füße gespannt. Nach ei-
niger Übung erreichen wir die Arbeitshöhen
von 12-15 Meter und lösen die reifen Kokos-
nüsse, um sie gezielt zu Boden zu bringen.
Der Schweiß fließt in Strömen und uns wird
schnell klar, dass bei 35 Grad und 80% Luft-
feuchtigkeit die Uhren langsamer gehen als bei
uns zu Hause. Aber wir werden mit wunder-
schönen Aussichten auf den Strand belohnt.
Nach 3 Tagen sind alle Kokosnüsse „geerntet“
und wir können uns bei traumhaften Sonnen-
untergängen erholen. Die nächsten Tage ver-
bringen wir mit Ausflügen in den tropischen
Bergwald, wo so mancher Baumriese zum
Klettern lockt. Keine Frage, nächstes Jahr zur
Kokosnussernte sind wir wieder da!
20 Stunden. Dort das Hotel: das Essen ist kata-
strophal, das Wasser schmeckt nach Chlor und
man hört den Nachbarn schnarchen. 8 Stunden
Zeitverschiebung, aber Baumfäller sind harte
Leute. Am nächsten Morgen um 8 Uhr der Trans-
fer zur Werft. Die „Tatoosh“ ist eine Motoryacht
von 92,75 m Länge und 14,65 m Breite. An Deck
stehen 2 Helikopter, an Backbord liegt eine 16 m
Segelyacht und an Steuerbord eine 16 m Motor-
yacht.
Geld spielt bei solchen Angelegenheiten keine
Rolle, Hauptsache gut und schnell. Die neuen
Davidseile, Dyneema SK 75 thermobehandelt
und vorgereckt, mit einem Durchmesser von
33 mm und einer Bruchlast von 57 Tonnen
wurden bei Gleistein schon konfektioniert und
standen in einer Kiste verpackt auf der Steuer-
bordseite des Bootsdecks. Bei 25 °C und keinem
Zeitdruck hat die Arbeit viel Spaß gemacht.
Nach 2 Tagen war alles eingebaut und die Pro-
bedurchläufe der Davidanlage abgeschlossen.
Donnerstag um 9 Uhr ging es dann zurück,
San Diego-Minneapolis-Amsterdam-Bremen.
Diesmal 22 Stunden Reisezeit.
Das war eine Woche aus dem doch nicht so
ganz trostlosen Leben eines norddeutschen
Spleißers.
Thema
kletterblatt
05
80
Kokosn
ü
sse
Der Autor
Daniel Wirges
Jahrgang 1965, Forstwirt seit 1981, seit 1985 Fortbildungskurse
zum Baumpfleger, SKT A, B u. C, 1996 Gründung Baumpflege
Wirges, ab 2000 Erlebnisklettern weltweit. Seit 2001 Ausbilder
bei der Münchner Baumkletterschule
Der Autor
Andrés Beisswingert
&BillGates
selbständiger Baumpfleger
und Baumkletterer in Bre-
men. Er zählt nebenbei zu
den besten Spleißern welt-
weit und wird deshalb oft
für Spezialaufträge im Aus-
land herangezogen. Haupt-
sächlich für die Takelage
an Yachten. Für die Firma
freeworker entwickelt und
fertigt er Spleiße für die
Baumkletterei.
Seine Hobbies: spleißen,
spleißen, spleißen.