Kletterblatt 2006 - page 11

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wissenschaften nicht unbedingt in das Bild des
leidenschaftlichen Technikers.
Nach meinem Realschulabschluss habe ich zuerst
eine Lehre als Forstwirt gemacht. Einige Jahre spä-
ter entschied ich mich, das Abitur nachzuholen.
Ich hatte Lust auf Wissen. An der Uni Bielefeld war
ich dann in den Fächern Geschichte, Sport und
Philosophie eingeschrieben. Zwar fand ich die Fä-
cher interessant, aber ich habe gemerkt, dass es
nicht meine Berufung ist, Akademiker zu werden.
Der Wald, die Bäume, das Klettern und die Freiheit,
mein eigenes Ding zu machen, waren verlocken-
der. Also entschied ich mich nach etwa zwei Jah-
ren, das Uni-Gastspiel zu beenden. In dieser Zeit
war ich sowieso die meiste Zeit in einer Kfz-Werk-
statt, um Geld zu verdienen. Danach habe ich
mich mit der Idee, Baumpflege am Seil zu betrei-
ben, selbstständig gemacht und gleichzeitig bei
der Berufsfeuerwehr Hannover angefangen zu ar-
beiten. Auch ein interessanter und nützlicher Beruf
mit 24-Stunden-Diensten. Das bedeutet viel zu-
sammenhängende Freizeit und dadurch die Mög-
lichkeit, mehreren Interessen nachzugehen. Selbst-
ständige Baumpflege und Berufsfeuerwehr habe
ich tatsächlich auf Jahre gleichzeitig gemacht. Das
Tüfteln an meiner anfangs sehr einfachen Ausrüs-
tung war für mich von Anfang an normal. Das
ernsthafte Konstruieren an Serienprodukten begann
aber erst 1995 mit meiner Idee zum Lockjack.
Wie kommt man vom Tüfteln zum Erfinden und
Konstruieren?
Die Neugier auf Technik, besonders auf mechani-
sche Technik, habe ich wohl in die Wiege gelegt
bekommen. Zum anderen war mir mein Vater ein
großes Vorbild. Der war Kirchenmusiker und in sei-
ner Freizeit verbrachte er viel Zeit in seiner Werk-
statt. Aus den einfachsten Materialien konnte er
ganz tolle Ideen realisieren oder auch aus Schrott
Neues bauen. Zum Beispiel verschiedene Eigenbau-
trecker mit mehreren Getrieben und Seilwinden.
Der eine hatte 2 Motoren. Mein Vater hatte ein-
fach Spaß am Tüfteln und Bauen. Schon als klei-
ner Junge war ich fasziniert von seiner Kreativität.
Allerdings war es nicht immer leicht, denn ich
durfte ihn kaum etwas fragen. Dabei sein und an-
schauen. Habe ich ihm aber eine Frage gestellt, z. B.
„Wieso machst Du das gerade“, dann hat er ge-
sagt „Frage nicht so. Guck Dir das genau an, du
wirst schon selber dahinterkommen warum“. Das
klingt wohl befremdlich, aber heute weiß ich, dass
es so ganz gut war, weil es mich herausgefordert
hat, mir selbst Gedanken zu machen über Materi-
alien, Werkzeuge, Arbeitsschritte und neue Ideen.
Der Spruch von Kant „Habe den Mut, dich deines
eigenen Verstandes zu bedienen“ ist heute einer
meiner Leitsätze, nicht nur beim Konstruieren.
Aber um ein Gerät bis zur Serienreife zu entwi-
ckeln braucht es mehr als nur Leidenschaft. Wie
steht es mit den Materialkenntnissen?
Mit unterschiedlichen Materialien habe ich schon
als Kind gearbeitet. Ich habe zum Beispiel Fahrrä-
der auseinander genommen, oft auch auseinan-
dergesägt und dann neue Modelle konstruiert. Mit
10 Jahren hatte ich zum Beispiel ein Fahrrad, um
das mich alle beneidet haben. Als Hinterrad diente
ein wirklich kleines Rollerrad, in das ich unter gro-
ßen Mühen eine 3-Gang-Nabe eingespeicht habe.
Die Vordergabel hatte ich um das Doppelte verlän-
gert, darin ein 28er-Rad. Darüber einen wild ge-
schwungenen, selbst geschweißten Lenker. Es hielt
und funktionierte auch im Dauereinsatz. Solche
Basteleien schulen und trainieren natürlich. Mit 15
habe ich ein uraltes Moped total zerlegt und re-
stauriert. Das dauerte 3 Monate und war eine
Fleißaufgabe, die ich, sehr zur Zufriedenheit mei-
nes Vaters, durchgehalten habe.
Und wie wird aus einer Idee ein greifbares Pro-
dukt?
Seit einigen Jahren kann ich zunehmend Bilder
von neuen Konstruktionen vor meinem geistigen
Auge erzeugen und mit Variationen spielen. Das
ist wohl ein Ergebnis von Übung und Erfahrung.
Manche Wege funktionieren und manche nicht.
Aber es findet zunächst im Kopf statt. Dann baue
ich Muster. Vorzugsweise aus Holz. Wenn das Holz-
modell in Ordnung ist und ich den Eindruck habe,
dass es so funktionieren könnte, mache ich eine
Zeichnung und gehe damit zu den Metallbearbei-
tungsspezialisten. Ab hier arbeite ich im Team ...
...und ab da wird es wahrscheinlich auch teuer?
Interwiev
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