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SKT und Kraneinsatz – Ein sicheres und zugelassenes Arbeitsverfahren?

Klettern und Kran, zwei Arbeitsverfahren, die miteinander kombiniert werden können. Die Münchner Baumkletterschule bietet dazu neu den Kurs „Kranfällung mit SKT“ an. Aber bringt diese Kombination auch Vorteile? Und was sind die Gefahren und Nachteile? Bernhard Schütte, technischer Leiter der Münchner Baumkletterschule, beschreibt das kombinierte Arbeitsverfahren, nennt Vor- und Nachteile und geht der Frage nach, was die entsprechenden Versicherungen und Berufsgenossenschaften zu dieser Zusammenarbeit sagen.


Kranfaellung

Arbeiten mit dem Kran – Ja – Nein – Vielleicht? Vor dieser Frage steht man als Baumkletterer nicht nur aus rein praktischen Gründen. Die wären eventuell Sicherheitsgewinn, Zeitersparnis oder ergonomische Vorteile des Arbeitsverfahrens, um nur einige stellvertretend zu nennen.

Bevor die Entscheidung für den Kraneinsatz fällt, muss man für sich noch klären, ob das, was man auf der Baustelle plant, auch zulässig ist, oder ob es nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt ist, ob vielleicht die an der Arbeit Beteiligten unterschiedliche Vorschriften oder Anschauungen zu dem Thema haben.

Die Frage, inwiefern die Kombination der Kranarbeit mit dem Klettern zulässig ist, betrifft neben dem Kletterer (oder Aufsichtsführenden) auf der Baustelle auch vorab schon drei beteiligte Entscheidungsträger, die mit verschiedenen Regelungen versuchen, Klarheit zu schaffen.

Die SVLFG (Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forst und Gartenbau) als Unfallversicherer der meisten Kletterer, die gewerblich in den Bäumen arbeiten, befasst sich in ihrer Unfallverhütungsvorschrift VSG 4.2 mit der SKT. Über die Zusammenarbeit mit dem Kran findet man dort überhaupt nichts. In einer weiteren Veröffentlichung, einer berufsgenossenschaftliche nInformation mit der Bezeichnung B09 „Seilklettertechnikim Gartenbau“, wird aber sehr präzise auf die Kombination eingegangen. Man findet Festlegungen zu den Themen Einsatzvoraussetzungen, Baustellenvorbereitung, Personensicherung am Kran und Anschlag- sowie Schnitttechniken.

Die BG Verkehr, welche Unfallversicherer der meisten Kranunternehmen ist, hat die für den Kran wichtigen Regeln in der BGV D6 „Krane“ (auch „Vorschrift 52“ der DGUV) niedergeschrieben. Dort findet man Informationen zur erforderlichen Beschaffenheit eines Krans, zu dessen Prüfung und zum tatsächlichen Betrieb eines Krans. Im Kapitel zum Betrieb wird auch das Thema Personentransport behandelt, leider nur in so genannten Personenaufnahmemitteln (PAM). Diese sind für den Einsatz bei Baumfällungen unbrauchbar, weil sich der Kletterer zum Schnitt (und Anschlagen) nicht frei positionieren kann. Außerdem kann der Ast oder Stämmling nicht am Kranhaken gehoben werden, wenn dort schon der Sägenführer im PAM hängt.

Beide Berufsgenossenschaften hatten bereits vor acht Jahren anlässlich einer praktischen Vorführung klären wollen, wie die Kombination Klettern-Kran aussehen könnte. Dort gab es eine Einigung, die leider nur bei der SVLFG schriftlich festgehalten wurde und jetzt in der oben angeführten Broschüre B09 zu finden ist. Die BG Verkehr äußert sich auf konkrete Nachfrage inzwischen sogar ablehnend zu dem Verfahren, was schon mehrfach zu Irritationen auf Baustellen und beinah zu einem Rechtsstreit zwischen den Berufsgenossenschaften geführt hat.

Der dritte Entscheidungsträger ist das BMAS (Bundesministerium für Arbeit und Soziales). Im Zuge der Europäisierung der Regelungen des Arbeitsschutzes verschieben sich Zuständigkeiten aus dem Bereich der Berufsgenossenschaften in Richtung des Ministeriums. Zur allgemeiner gehaltenen Betriebssicherheitsverordnung gibt es die konkretisierende TRBS 2121 (Technische Regel zur Betriebssicherheit) die im Teil 3 die seilunterstützten Arbeitstechniken und im Teil 4 den Personentransport mit hierfür nicht vorgesehenen Arbeitsmitteln behandelt. Teil 3 geht im Detail nicht tiefer als die Unfallverhütungsvorschrift der SVLFG und Teil 4 befasst sich leider nur mit den schon erwähnten PAM.

Verwertbare Informationen gibt es also nur bei der SVLFG, während sich die BG Verkehr aktiv gegen die Kombination Kletterer am Kran ausspricht.

Wenn man das genau betrachtet, ist der Zankapfel allerdings der ungefährlichste Teil der Zusammenarbeit mit dem Kran. Das Ankern des Kletterers am Kran geschieht nur während des Transports in den Baum oder später von einem Arbeitsplatz zum anderen und als Positionierungsvorteil während des Anschlagens. Wenn dann geschnitten wird und die Lasten in Bewegung kommen, ist der Kletterer nicht mehr am Kranhaken gesichert. Ganz objektiv sind die Gefahren beim Schneiden und unmittelbar danach viel größer als beim Taxifahren am Kranhaken. Genau für diesen vergleichsweise gefährlicheren Zeitraum gibt es aber keine Verbotsregelung. Der Kranfahrer folgt der BGV D6 „Krane“ und der Kletterer hält sich an die VSG 4.2.

Für den Einsatz des Krans gibt es keinen Freibrief, auch nicht von der SVLFG. Die Lage ist vergleichbar mit den Abwägungen vor dem Klettereinsatz. Auch da muss man sich fragen, ob Alternativen, meist die Hubarbeitsbühne, sinnvoll eingesetzt werden können. Wenn das nicht der Fall ist, ist man im originären Einsatzbereich der SKT. Vor der Entscheidung für den Kran muss geprüft werden, ob der Baum frei gefällt oder besser mit Riggingtechniken abgebaut werden kann. Bei einem freien Fallbereich wird wohl niemand einen teuren Kran bestellen, aber die bloße Möglichkeit des Riggings bedeutet nicht, dass Rigging auch das Verfahren mit mehr Sicherheit oder Effizienz ist. Die Kranarbeit ist nur deswegen in den Fokus der Kletterer gerückt, weil man in bestimmten Situationen viel sicherer und nicht selten auch schneller arbeiten kann.

Was ist denn eigentlich anders für den Kletterer und den Kranführer, wenn beide zusammen Bäume fällen. Worin unterscheidet sich dieses Verfahren von den vertrauten und gewohnten Arbeiten? Welche neuen Risiken gibt es?

 
Kletterer:

  • Die Kommunikation ist aufwändiger und funktioniert oft nur über Funk und/oder mit einer weiteren Person in der Kette. Viele Kranführer vertrauen lieber auf Zeichensprache im Sichtkontakt als auf ein Funksignal, das schon 10 Sekunden alt ist und vielleicht von einem Kletterer abgegeben wurde, der seit 5 Sekunden eingeklemmt ist und nicht mehr sprechen kann.
  • Die abgesägte Last bleibt vorerst auf der Höhe des Kletterers und gerät unter schlechteren Umständen in eine Bewegung, die den Kletterer gefährden könnte.

Kranführer:

  • Die Last ist vor dem Heben fest.
  • Das Gewicht kann nicht genau bestimmt werden.
  • Ist das Gewicht zu groß, kann die Last nicht einfach wieder abgesetzt werden.
  • Die Kombination aus zu großer Vorspannung und schlechter Schnitttechnik kann beim Abreißen zu großen Kräften führen, die sogar den Kran umwerfen können.

Die Darstellung der Nachteile soll nur die nüchterne Betrachtung unterstützen. Selbstverständlich gibt es für den Kletterer erhebliche Vorteile, die den Kran überhaupt erst interessant machen:

  • Das Fahren am Kranhaken erspart Kletterwege und damit Kraft bei einer ohnehin schon anstrengenden Arbeit.
  • Der temporäre Ankerpunkt am Haken ermöglicht, spätestens beim Anschlagen der dicken Stammstücke, aber auch schon zuvor, ein sehr viel besseres Positionieren.
  • Nach dem Abtrennen der Baumteile entstehen keine großen Fangstöße am Baum selbst (wie beim Rigging). Die Last schwebt bestenfalls sogar ganz ohne Bewegung.
  • In den meisten Fällen können größere Baumteile bewegt werden als beim Rigging.
  • Lange Transportwege der schweren Baumteile am Boden entfallen. Ergonomie und Körperschonung setzt sich also auch bei der Bodenarbeit fort.

Abgesehen von den Besonderheiten, die sich wegen des Krans bei der Planung und Einrichtung der Baustelle ergeben, wird die Kranarbeit durch zwei physikalische Gesetze limitiert, das Hebelgesetz und das Grundgesetz der Dynamik.

Das Hebelgesetz Kraft x Kraftarm = Last x Lastarm erklärt, dass auch der schwerste Kran bei entsprechender Auslage neben der Grundfläche der Abstützung nur noch kleinste Lasten heben kann. Um das Risiko dort zu minimieren, sind die Krane mit einer Anzeige ausgestattet, die vor dem Heben die mögliche Last angeben.

Das Grundgesetz der Dynamik Kraft = Masse x Beschleunigung erklärt, dass die Masse des zu hebenden Baumteils nur von zweitrangiger Bedeutung ist. Die Größe der Kraft, die nach dem Abtrennen auf den Kran wirken wird, hängt davon ab, ob das Baumteil durch Pendeln oder Fallen beschleunigt wird.

Aus der Kenntnis dieser beiden Gesetze ergeben sich mehrere Regeln für Fällungen mit dem Kran:

  • Die Gewichte müssen vor dem Schnitt möglichst genau geschätzt werden und dürfen nur zwei Drittel der aktuellen Nutzlast des Krans betragen (1,5fache Sicherheit).
  • Die Kranflasche muss über dem Massenmittelpunkt des Baumteils positioniert werden.
  • Alle Baumteile müssen mehrfach, aber mindestens doppelt angeschlagen werden.
  • Alle Verbindungen zum Baumteil müssen vor dem Schneiden gestrafft werden (Trimmen).
  • Die Vorspannung darf nie das geschätzte Gewicht übersteigen.
  • Alle Holzfasern müssen vor dem Hub komplett durchtrennt sein.

Wie sieht der zumindest von der SVLFG als sicher erachtete PSA-Ankerpunkt am Kran aus? Dazu findet sich in der Information B09 folgende Formulierung:

„Dem Kranhaken angepasstes, gratfreies ovales Aufhängeglied nach DIN EN 1677-T4, Güteklasse 8 mit zweiter, formschlüssiger Sicherung gegen Aushängen aus dem Kranhaken. Zur Ausrüstung gehört weiterhin ein geeignetes Mittel, um das Sicherungsseil um 90° gegen den Kranhaken abzuwinkeln, damit eine Seilquetschung vermieden wird. Dabei ist der Umlenkwinkel des Seiles zu beachten.“

Um möglichst wenige zusätzliche Risiken durch Einbauoder andere Fehler zuzulassen, bietet sich zum Beispiel eine geschlossene Ringgarnitur an. Aufhängung und abgewinkelte Seilführung sind untrennbar miteinander verbunden. Da man sich aus dem Ankerpunkt eher nach unten als nach oben bewegt, braucht man an dieser Stelle keine Rolle. Für die zweite Sicherung ist auf dem Bild eine Rundschlinge zu sehen, die mit einer ausreichenden Sicherheitsreserve für die Bruchlast ausgestattet und außerdem für die Benutzung am Kran gefertigt ist. Deswegen ist die tragende Schlinge unter anderem durch einen doppelten Mantel geschützt.

Im Folgenden sollen drei Optionen für das Zusammenspiel Kletterer – Kran beschrieben werden, von denen nur die letzte wirklich mit der aktuellen Haltung der BG Verkehr kollidiert. Weil aber auch die ersten beiden Optionen zu Beginn den Transport des Kletterers in den Baum beinhalten, stimmt das nur bedingt.

Option 1:

Terminale bleibt erhalten, 1 Kletterer im Baum

Vorteile

  • hoher Ankerpunkt für den Kletterer
  • hoher Rettungszustieg am Seil möglich

Nachteile

  • alle Wege nur kraftraubend zu klettern
  • Ankerstämmling beim Heben im Weg oder auch in Gefahr

Option 2:

Terminale bleibt erhalten, 2 Kletterer im Baum

Vorteile

  • hoher Ankerpunkt für beide Kletterer + Retter ist schon im Baum
  • Arbeitsteilung in Anschlagen und Sägen

Nachteile

  • alle Wege nur kraftraubend zu klettern
  • Ankerstämmling beim Heben im Weg oder auch in Gefahr
  • zweiter Kletterer auch im Gefahrenbereich

Option 3:

Terminale wird zuerst entnommen, 1 Kletterer im Baum

Vorteile

  • Kletterer wird in Lastmitte des Astes gehoben und seilt nach Anschlagen zum Schnitt ab
  • Hubweg nach oben immer frei

Nachteile

  • Rettung komplizierter (Steigeisen oder tiefhängendes Zustiegsseil)

Wie wird die Zukunft für dieses in entsprechenden Situationen so vorteilhafte Verfahren aussehen? Eine Vorhersage ist schwierig, aber am schönsten wäre es, wenn die BG Verkehr den Personentransport direkt am Haken mit der PSA des Kletterers erneut überprüft und konform mit den Regelungen der SVLFG übernimmt. Denkbar wäre auch, dass dieses Thema stärker in die Zuständigkeit des BMAS fällt und dort verbindliche neue Regelungen getroffen werden.

Wenn sich auf den Seiten der Entscheidungsträger nichts tut, wird ganz sicher weiter im gesteckten Rahmen mit dem Kran gearbeitet und das Verfahren wird Bereiche erobern, die bislang noch mit gefährlicheren und anstrengenderen Lösungen besetzt sind. Der Kraneinsatz wird das weite Feld der Baumarbeiten in einer kleinen Nische bereichern und sicherer machen.

Derzeit ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Pflichtausbildungen
für gewerbliche Kletterer um einen Krankurs ergänzt werden. Weil man aber von erfahrenen Kollegen oder eben Ausbildern immer besser und sicherer lernt, ist es ratsam, den eigenen Einstieg auf diesem Weg zu organisieren.

Die Münchner Baumkletterschule bietet einen dreitägigen Kurs „Kranfällung mit SKT“ an. Dieser Kurs vermittelt am ersten Tag Grundlagenwissen zum Kraneinsatz. Einsatzvoraussetzungen, Gefährdungsbeurteilung, Rettungsplanung, Umfang und Einsatz geeigneter PSA bestimmen den Inhalt. Die anderen beiden Tage gehören voll und ganz der Praxis. Lastabschätzungen, Anschlagtechniken, Schnitttechniken, sichere Positionierung und die Umsetzung der ergonomisch und sicherheitstechnisch besten Ablaufplanung im Baum sollen die Teilnehmer für die Abwicklung der eigenen Kranbaustellen vorbereiten.

Wir freuen uns auf motivierte und neugierige Kursteilnehmer!

Der Autor: Bernhard Schütte (E-Mail) Dipl. Ing. für Forstwissenschaft, Inhaber „Baumpflege Seenland“, Ausbildungsleiter im Team der Münchner Baumkletterschule

 

Tipp
Alle Kletterblatt-Artikel von Bernhard Schütte finden Sie hier im Kletterblatt-Archiv.

 
Online blättern im Kletterblatt 2019: "SKT und Kraneinsatz - Ein sicheres und zugelassenes Arbeitsverfahren?" Nach oben

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