Kletterblatt 2017 - page 94

Andre Becker
Dipl. Sozialarbeiter (FH)
Coach/Supervisor DGSv
Lehrbeauftragter Fachhochschule
Frankfurt a. M.
kletterblatt 2017
94
auch im inneren Erleben und der Be-
sprechbarkeit von Innerem. Es geht
um persönliche Grenzen im Umgang
mit sich selbst und anderen. Fragen
tauchen auf: Wie erlebe ich mich als
Teil einer Gruppe? Wo verliere ich
mich als Teil dieser Gruppe? Wie
kann ich mich einbringen? Welche
Konflikte erlebe ich immer wieder?
SolcheThemen zuzulassenund ihnen
einen Raum zu geben, ist ein wesent-
licher Bestandteil des Baumkletterns
als Medium der Erlebnispädagogik.
Im Gegensatz zum Baumpfleger ist
das Interesse des PädagogendieKrise
oder derMoment des Scheiterns, denn
dort liegt das größte Potential für Ver-
änderung.
Ich hoffe, ich konnte neugierig ma-
chen auf einen Wirkungsbereich für
Baumkenner. Die Arbeit mit Men-
schen und Bäumen zum beruflichen
Inhalt zumachenund auf diesemWeg
sowohl sein Bewusstsein für Bäume
als auch für Menschen und nicht zu-
letzt für sich selbst zu vertiefen, halte
ich für eine reizvolle Aufgabe, die den
Alltag von Baumpflegern bereichern
kann.
nität. Um dem entgegenzuwirken,
richteteHahn sogenannte Kurzschu-
len ein, um die Jugend auf das Leben
vorzubereiten, beziehungsweise ihr
das nötigeRüstzeug für die „Fahrt ins
Leben“ zu verschaffen. Er setzte den
von ihm genannten Verfallserschei-
nungen im Rahmen der Erlebnisthe-
rapie verschiedene Aktionsformen
entgegen, die zum Teil heute als
Grundlage für das Frankfurter Mo-
dell dienen. Er initiierte Projekte,
führte Expeditionen durch und orga-
nisierte die Seenotrettung durch Ju-
gendliche vor der Küste Englands.
Der Rettungsdienst zeichnete sich
durch die starkeWirkung aus, die die
Dynamik des Rettens auf die Jugend-
lichen ausüben konnte; er sollte eine
Gegenform zu gewalttätigen Hand-
lungen darstellen. Dem Einzelnen
kann sich durch seinen persönlichen
Einsatz und für den Dienst an einer
anderenPerson eine neue Lebensper-
spektive eröffnen.
Dieser Effekt ist bei der Baumrettung
deutlich spürbar, die wir in manchen
Settings ähnlich der Ausbildungssi-
tuation (SKT) durchführen. Auch
sonst gibt es einige Parallelen zum
Klettern in der Baumpflege. Das Ziel
unserer Projekte ist jedoch nicht be-
sonders gute Kletterer auszubilden,
sondern Räume zu schaffen und zu
sichern, an denen pädagogisch zielge-
richtet gearbeitet werden kann.
Der Baumund seineUmgebung sowie
die Menschen, die daran beteiligt
sind, stellen in diesem Sinne einen
Lernort da. Dieser Lernort bietet sehr
große und herausfordernde Anreize
für unterschiedlichste Lernbedürf-
nisse von Teilnehmern. Oft bleibt es
auchnicht bei Bäumen allein, sondern
eswerden andereObjekte einbezogen:
Spielgeräte undGebäude, Seilbahnen
werden gebaut, Spiel und Hängean-
lässe entwickelt und Bewegungsan-
lässe gestaltet. Hier können echte Ri-
sikoerfahrungen gemacht werden
und die Wirksamkeit des eigenen
Handelns kann besonders gut über-
prüft werden.
Wie unterscheidet sich das Baum-
klettern im pädagogischen Sinn
vom Klettern in der Baumpflege,
oder vom Klettern in der Ausbil-
dungssituation der Baumkletter-
schulen?
Sicher in der Bedeutung von Krisen
im Arbeitsprozess. Auf der Baustelle
geht es vor allemdarum, die Arbeiten
sicher und effizient durchzuführen
undKrisen erst gar nicht aufkommen
zu lassen. Anders stellt sich dies in
der Ausbildungssituation (SKT) dar.
Hier dürfen und sollen zumTeil auch
Fehler auftauchen, um von diesen zu
lernen. Wer jedoch erfährt, dass er
psychisch dem Druck nicht gewach-
sen ist, die Technik des Baumklet-
terns zu erlernen, um Baumarbeiten
durchführen zu können, der wird sich
schnell ein anderesWirkungsfeld su-
chen müssen. Anders im pädago-
gischen Setting. Hier geht es umPer-
sönlichkeitsentwicklung und Erwei-
terung der Handlungskompetenz,
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