Baumpflege
Praxis
kletterblatt 2017
90
EinenTrost gibt es für die Tophandle:
Auch Rear Handle Sägen werden
munter mit einer Hand bedient. Erst
kürzlich sah ich bei gut ausgebildeten
Baumpflegern, wie die Rear Handle
mit zwei Händen zumFällschnitt an-
gesetzt wurde. Der Baum war nicht
sonderlich groß oder problematisch.
Die Säge beißt sich ins Holz. Das Sä-
geschwert liegt bequem mit dem Ge-
wicht flach auf dem Holz. Die eine
Hand sitzt am Griff, gibt gefühlvoll
Gas. Dann verlässt die zweite Hand
wie selbstverständlich den Haltebü-
gel und drückt den Stamm in die ge-
wünschte Richtung. Upppsss….
DieHersteller vonTophandle betonen
die Leichtigkeit der Säge, ihr gutes
Handling im engen Kronenbereich
des Baumes und die ergonomischen
Vorteile dieser leichten Sägen mit
dem kurzen Schwert. Sie wird des-
halb regelmäßig als Baumpflegesäge
beworben. Viele Nutzer sehen das
auch so. Im Kletterblatt 2016 hatten
wir eine Tophandle von Echo und
Stihl imGewinnspiel. DieTeilnehmer
beim Gewinnspiel schickten uns be-
geisterte Kommentare: “Diemuss ich
haben - Top-Säge - Diemuss zumir ...”
Bei vielen Baumpflegern kommen die
Sägen an. In der Tat gibt es wohl nur
wenige Baumpflegefirmen, die nicht
zumindest eine Tophandle-Säge in
Gebrauch haben. Wahr ist aber auch,
dass es wohl kaum eine Baumpflege-
firma gibt, die nicht weitere und grö-
ßere Motorsägen haben. Mit einer
Tophandle lassen sich schließlich
kaum große Bäume fällen.
Wir fragen deshalb, sind die Top-
handle wirklich die Spezialsäge für
die Baumpflege, geeignet für kleine
Schnitte in engen Baumkronen? Sä-
gen, die das Potential haben die Vor-
schriften zu ändern?
Dirk Lingens, Baumpfleger, SKT-
Ausbilder, Knotenpapst und kri-
tischer Geist aus demNorden, ver-
neint das vehement. Ermeint, Top-
handles seien die schlechtere Al-
ternative, wie er im folgenden Bei-
trag beschreibt.
Dirk Lingens:
Top-Handle
versus
Rear-Handle
Auf vielen Baum-Baustellen sind die
Top-HandleMaschinen Usus. Da ich
sehr vieleDiskussionen bezüglich de-
ren Verwendung führe, möchte ich
hier nochmal einige Argumente zu-
sammenführen.
Als ich vor 18 Jahren mit der Baum-
pflege begann, kaufte ich mir eine
Top-Handle. Das war einfach „die“
Baumpflegesäge. Erst ein paar Jahre
später sah ich bei einemKollegen das
dazugehörige Rear-Handle Modell.
Ich nahm sie in die Hand, lieh sie mir
für einenAuftrag aus undwar begeis-
tert. Sicherheit und Ergonomie über-
zeugten mich. Wie viele wissen, stel-
le ich seitdem die Verwendung von
Top-Handle-Maschinen in Frage.
Was spricht für die Verwendung
einer Top-Handle?
1. Diese Modelle sind meist leichter.
2. Teils gibt es die Modelle
nur in einer T-Ausführung
(Husqvarna Benzin-Sägen).
3. In beengten Situationen in der
Baumkrone, egal ob SKT- oder
Bühneneinsatz, erleichtert die
kompaktere Bauart das Sägen.
Was spricht für die Verwendung
einer Rear-Handle?
1. Durch die lange Bauart kann auf-
grund der besseren Hebelkräfte
mehr Kontrolle ausgeübt werden
– mehr Sicherheit.
2. Dadurch sinkt auch der Kraft-
bedarf zur sicheren Führung
der Säge – bessere Ergonomie.
3. In einigen Kickback-Situationen
ist dieWahrscheinlichkeit,
dass die Kette amKörper
vorbeigeführt wird, größer.
4. Die Verwendung amBoden ist
durch Leute mit normaler Motor-
sägenfachkunde (AS 1) möglich.
(Top-Handle nur oben imBaum
und mit „spezieller Ausbildung“.
Nach meiner Lesart ist das
SKT B oder AS 2, ohne dass das
irgendwo genauer definiert wird.)
Dann wäre da noch das Thema „Ein-
handbedienung“. Aus vielen Gesprä-
chenweiß ich, dass die Kaufentschei-
dung für ein T-Modell entweder
Unwissenheit über die Existenz
der Alternative,
die starke Gewichtung eines
der o.g. Vorteile
oder eben der Wunsch nach
einer Einhandsäge ist.
Sicherheit:
Wer vonUnfällenweiß, die ursächlich
aufgrund der einhändigen Bedienung
derTop-HandleMaschine entstanden
sind, weißauch, dass daswohl kaumin
denUnfallbericht für die BG kommen
wird. Dort wird vielmehr eine andere
Geschichte erzählt werden, die er-
klärt,warumes zurVerletzungder lin-
kenHand gekommen ist. DieAussage-
kraft der Unfallstatistik ist daher nur
eingeschränkt. Das Lesen zwischen
denZeilen ist da schonhinweisreicher,
aber auch nicht beweisbar.
Ergonomie:
Ich kenne keine Studie, die besagt,
dass die Belastung für den Körper,
insbesondere Schulter, Ellbogen und
Handgelenk, bei der einhändigen Be-
dienung größer sei. Ich bin kein Ar-
beitsmediziner oder Physiotherapeut,
aber für mich liegt das nahe.
Arbeitsabläufe:
Zugegeben: es ist sehr verführerisch
mit der einenHand die Säge zu führen
undmit der anderenHanddasHolz zu
halten oder zu drücken.Wer sich aber,
so wie ich zu Beginnmeiner Zeit, Un-
terarmschnittschutz kauft, hat er-
kannt, dass dieses Arbeitsverfahren
gefährlich ist, ohne die Konsequenz
zu ziehen, es ganz zu lassen und Al-
ternativen zu nutzen. Ich kann guten
Gewissens behaupten, dass es immer
gute andere Möglichkeiten gibt.
Diese bestehen aus demDreiklang
gute Positionierung
geeignete Schnitttechnik
ggf. Einsatz von Rigging