Lasten ab 4 kNden Seilmantel zerrei-
ßen können. Deshalb sollte in der Be-
nutzung jede dynamische Belastung
(kräftiges Wippen oder gar Sturz) an
Klemmen vermieden werden. Wird
die Klemme am Seil nach oben ge-
schoben, kann die Klemmbacke ver-
sehentlich geöffnet werden und
Fremdkörper im Seilkanal können
den Halt der Kegelzähne verhindern.
Das Versagensrisiko einer in Bewe-
gung befindlichenSteigklemme ist er-
heblich höher als das eines mitlau-
fenden Sicherungsgerätes. Eine Steig-
klemme als alleinige Sicherung am
Seil ist also höchstens im Ruhezu-
stand akzeptabel und auch da sind die
Sicherheitsreservenbegrenzt. Kommt
einKletterer beimAufstiegmit Steig-
klemmen in Not und muss gerettet
werden, ist der Nach-stieg des Retters
amgleichen Seil kein Problem, da sich
die Last an denKlemmen nicht verän-
dert und das Seil vomAnkerpunkt lot-
recht ohne Knick zum Retter läuft.
Steigklemmen im Aufstiegssystem
des Retters sind beimÜbersteigen des
Verletzten am gleichen Seil einfacher
zu handhaben als mitlaufende Siche-
rungsgeräte, weil man die Klemmen
nur öffnet und oberhalb wieder aufs
Seil bringt. Ein Aushängen am Gurt
ist nicht nötig.
Abseilgeräte
sind unter denUmstän-
denunserer Stehendseilaufstiege sehr
gut als alleinige Sicherung geeignet.
Sie blockieren noch zuverlässiger als
mitlaufendeSicherungsgeräte, weil sie
fürdieAbwärtsbewegungvomAnwen-
der bedient werden müssen. Einen
großenVorteil bieten sie auch, weil die
Selbstrettung ohne große Umbauten
sofort erfolgen kann. Wird man in
einem Steigklemmenaufstieg von
einem Wespenschwarm angegriffen,
muss man schon sehr fokussiert sein,
um das Abseilen vorzubereiten. Für
den Aufstieg werden die Abseilgeräte
mit Steigklemmen zur Umlenkung
und Trittschlingen kombiniert. Das
würdebeieinerFremdrettungamglei-
chen Seil zu Problemen führen, weil
der Verletzte durch den nachstei-
gendenRetterangehobenwirdunddas
Gewicht beiderKletterer fast vollstän-
dig inder Steigklemmehängt. Deshalb
muss die Rettungsplanung für diesen
Aufstieg einenanderenWeg vorsehen.
Klemmknoten
sind als Teil der Si-
cherungskette in Stehendseilaufstie-
gen ausmehrerenGründenproblema-
tisch. Optimale Bedingungen für den
gutenHalt vonKlemmknoten an Sei-
len sind: Das Klemmknotenmaterial
ist weich, hat einen griffigen Mantel
und ist umeiniges dünner als das Seil.
Der Klemmknoten läuft eng auf dem
Seil und behält immer eine Grundrei-
bung. Das Seil selbst steht nicht unter
Spannung. DieKraft, die denKlemm-
knoten schließen soll, wird vollstän-
dig und ruckartig eingeleitet. Diese
Bedingungen sind am Aufstiegsseil
kaumeinzuhalten.Wenn derKlemm-
knoten über einer Steigklemme mit-
geschobenwird, löst er sich in der Be-
wegung etwas und verliert damit
Grundreibung, außerdemmöchte der
Kletterer im Aufstieg auch nicht ge-
gen einen festgezogenen Klemmkno-
ten arbeiten undwird ihn ohnehin lo-
cker binden. Da derKletterermitmin-
destens einer Fuß- oder Kniesteig-
klemme aufsteigt, ist das Seil unter
dem Klemmknoten immer straff,
weshalb der Knoten schlechter greift.
Versagt dieHandsteigklemme, die der
Klemmknoten sichern soll, wird der
Kletterer versuchen, sich amSeil fest-
zuhalten. Deshalb bekommt der Kno-
Verwendung als
alleinige Sicherung
zuverlässige
Blockierung
gefahrlos bei
Zustieg von unten
mitlaufende Sicherungsgeräte
EN 12841, Ausführung A
ja
individuell prüfen individuell prüfen
Steigklemmen
EN 12841, Ausführung B
in Bewegung nein
im Stillstand ja
ja
ja
Abseilgeräte
EN 12841, Ausführung C
ja
ja
individuell prüfen
SRT-Geräte
individuell prüfen ja
individuell prüfen
Klemmknoten
individuell prüfen
im Stillstand ja
individuell prüfen ja
Fuß- und Kniesteigklemmen nein
ja
ja
tennicht sofort die volleLast, sondern
stoppt im schlimmsten Fall erst auf
der Fußsteigklemme. Eine Maßnah-
me könnte die Bedingungen verbes-
sern. Nimmt man dünnere, weiche
Seile für die Klemmknoten, funktio-
nieren die wesentlich sicherer. Wenn
Klemmen im Aufstiegssystem ver-
wendet werden, die ab 4 kN den Seil-
mantel abreißen, ist es schwer zu be-
gründen, warum die Sicherung nicht
mit 6mm-Klemmknoten eingerichtet
werden soll, diemehr als dasDoppelte
halten. DasNachsteigeneinesRetters
am gleichen Seil ist für einen unter
Last stehenden Klemmknoten kein
Problem.Weil andereKombinationen
insgesamt besser und sicherer funk-
tionieren, werden Klemmknoten in
Aufstiegssystemen seltener werden.
ZumThema der Fremdrettung sei er-
wähnt, dass alle Probleme, die mit
dem Nachstieg am gleichen Seil ver-
bunden sind, ganz einfach durch ei-
nen anderen Seileinbau behobenwer-
den können. Denkbar ist das Abwür-
gen an der Ankerpunktgabel, dadurch
ist am losen Seilstrang der Zustieg
möglich. Eine weitere Lösung wäre
die Installation von zwei stehenden
SeilenamgleichenAnkerpunkt, even-
tuell sogar ablassbar mit einem Ab-
seilgerät. Die Auswahl der verschie-
denen Seileinbauten soll aber hier
nicht weiter diskutiert werden.
Die Baumkletterer werden sicher
noch über einen längeren Zeitraum
darauf angewiesen sein, Komponen-
ten, die nicht absolut bestimmungs-
gemäß verwendetwerden, zu sicheren
Aufstiegssystemen zusammenzufü-
gen. Jeder kletternde Leser soll für
sich die Anregung mitnehmen, das
aktuelle und alle zukünftigen Auf-
stiegssysteme auf die dargestellten
Schwachpunkte hin zu untersuchen
und nicht nur kritiklos zu überneh-
men, was Freunde und Kollegen be-
nutzen.
Dipl.Ing. für Forstwissenschaft,
Inhaber der Fa. happy-tree.
Ausbildungsleiter imTeamder
Münchner Baumkletterschule
Bernhard Schütte
kletterblatt 2016
40
Technik
Aufstieg