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… und ab nach oben!

Baumfällung mit Helikopterunterstützung. Das ist kein SKT-Alltag: Der Kletterer hat noch einen über sich. Baumteile fallen nicht nach unten, sondern werden direkt aus dem Baum heraus abtransportiert. Als Luftfracht mit einem Helikopter. Ein außergewöhnlicher, nicht ungefährlicher SKT-Einsatz an der Kocher.

„Helikopter-Fällung“ und plötzlich war sie weg, die Müdigkeit, die in den Knochen steckt, nach einem langen Arbeitstag. Ich war noch auf der Baustelle. Es war kalt und dunkel, als Olaf mich angerufen hatte. Er hatte gefragt, ob ich Zeit für ein gemeinsames Projekt hätte. Eigentlich hatte ich keine. Der Arbeitskalender war voll und außerdem wartete die Steuererklärung. „Na dann eben ein andermal“, sagte Olav, „der Ulli Walter aus Pfedelbach sucht Seilkletterer für eine Helikopter-Fällung.“ Helikopter-Fällung! Ich sagte zu.

Das Projekt Helikopter-Fällung stand jedoch erst einmal in der Schwebe. Das Genehmigungsverfahren war schwieriger als erwartet und es war unklar, ob das Projekt wie ausgeschrieben und geplant zur Vergabe kommen konnte. Baumfällarbeiten mit Helikopterunterstützung werden in Österreich und der Schweiz vereinzelt in den extremen Steilhanglagen der alpinen Regionen durchgeführt. In der Kombination Helikopter und Seilkletterer im Baum jedoch weniger. Meistens bringt der Helikopter die Arbeiter nur an die extremen Baumstandorte und entfernt nach Fällung oder Schnitt die Baumteile aus dem Steilhang, damit diese nicht unkontrolliert abwärts rutschen können. Ganz anders sollte das bei unserem Projekt ablaufen. Die entfernten Baumteile mussten im laufenden Arbeitsverfahren von dem Helikopter weggeflogen werden.

Wir alle hatten Feuer gefangen. Die nächsten Wochen gab es eigentlich nur das Thema. Wir planten, wir berieten, wir diskutierten Vorgehensweisen, analysierten potentielle Schwierigkeiten und Gefahren. Selten habe ich, haben wir, einem Arbeitseinsatz so entgegengefiebert. Und endlich kam das erlösende O.k.

Ulli Walter hatte mit seiner Firma einen detailliert geplanten und organisierten Rahmen für das Projekt geschaffen. Natürlich wollten wir auch von unserer Seite, als ausführende Seilkletterer, eine souveräne Vorstellung geben. Die Aufgabe für die von uns durchzuführende Helikopter-Fällung im Kochertal bei Heilbronn war, aufgrund der besonderen Situation, äußerst komplex. Gefällt werden sollten ca. 65 Waldrandbäume an der Grenze zur Wohnbebauung, auf einem Abschnitt von insgesamt ca. 500 Metern Länge. Im Gegensatz zu den in alpinen Regionen vorkommenden Nadelbäumen waren die Bäume im Kochertal große Laubbäume.

Diese sind schon aufgrund ihrer Größe, ihres Gewichts und wegen der zum Teil weit ausladenden Kronen schwieriger zu fällen. Eine Steilhangsituation hatten wir mit dem im Tal fließenden Kocher auch. In dessen Bereich durfte kein Material landen, es hätte den Überschwemmungsbereich des Kocher gestört oder schlimmer noch, es hätte flussabwärts treiben und Brücken oder sonstige Anlagen beschädigen können. Oberhalb des Wäldchens befand sich Wohnbebauung, sodass auch hier kein Zugang mit Maschinen oder schwerem Gerät möglich war.

Die Bäume waren durch Prachtkäferbefall so geschädigt, dass sie in Ihrer Stand- und Bruchsicherheit eingeschränkt waren. Es handelte sich um einen ungefähr achtzigjährigen Laubholzmischbestand, zusammengesetzt aus überwiegend Buchen und Eichen, vereinzelt fanden sich aber auch Eschen und Ahorne. Typisch für solche Randbäume war der einseitige Kronenaufbau, der Konkurrenzsituation entfliehend, wuchsen die Bäume zur Wohnbebauung hin. Die Bäume waren zwischen 20 und 30 Meter hoch, die mittleren Brusthöhendurchmesser betrugen zwischen 40 und 100 Zentimeter. Manche Bäume waren, für Waldbäume charakteristisch, wipfelschäftig gewachsen, also schlank und hoch mit auf den nahezu astfreien Schaft schmal aufbauender Krone. Von besonderer Bedeutung war außerdem, dass der Biotopcharakter des Bestandes nicht gestört werden sollte und die Fällungen darum besonders schonend für die Baumumfelder durchgeführt werden mussten. Alles in allem war also ein geradezu kosmetisches Herausoperieren der Bäume notwendig, um Bestand und Bebauung nicht zu gefährden. Seilkletterer mit Helikopterunterstützung schienen hierfür eine ideale Lösung. Auftraggeber waren die Gemeinde und die zuständige Forstverwaltung.

Gearbeitet wurde in einem kombinierten Verfahren, mit Seilkletterer im Baum und Helikopter zur Sicherung, bzw. zum Transport der Kronen- und Stammteile. Ein ähnliches Arbeitsverfahren also, wie es oft bei Baumfällungen mit Autokranunterstützung angewendet wird. Drei, zeitweise vier Seilkletterer, sollten in vier Arbeitstagen ca. 65 der beschriebenen Bäume fällen.

„Klappt alles wie geplant, oder wird in den nächsten Tagen im Kochertal richtig viel Geld verbrannt?“ Das fragten wir uns. Immerhin handelte es sich um ein in Deutschland in dieser Form wohl erstmalig – soweit mir bekannt ist – zur Anwendung kommendes Arbeitsverfahren.

Der erste Tag begann mit einem ausgiebigen Briefing. Das Flugwetter war mittelmäßig und wir waren, wen wundert’s, etwas aufgeregt. Das Arbeitsverfahren wurde mit den Helikopterleuten erläutert und abgestimmt. Diese setzten uns über die für sie notwendigen technischen Rahmenbedingungen in Kenntnis. Wir erfuhren, welche Witterungsbedingungen notwendig waren, welche Lasten in Abhängigkeit davon vom Helikopter bewegt werden konnten und wir erhielten Sicherheitseinweisungen, insbesondere über das Verhalten in Gefahrensituationen. Im Gegenzug erklärten wir Kletterer dem Piloten und seinem Team unsere Arbeitsweise und sensibilisierten sie für unsere Situation. Wir erklärten, welche Gefährdungen aus unserer Sicht durch dieses kombinierte Verfahren für die Kletterer entstehen könnten und wie sie zu vermeiden seien. Schließlich hat der Pilot nicht täglich Kletterer unter sich, die durch Flugfehler gefährdet werden können.

Dann ging es los!

Für eine sichere Projektdurchführung hatte der Helikopterunternehmer ein sehr erfahrenes Team geschickt. Schließlich war es für alle ja das erste Mal. Das Team bestand aus dem Piloten Udo, dem Einweiser und Lotsen Adalbert und einem Mechaniker. Pilot, Einweiser und wir waren ständig über Funk miteinander verbunden. Die Rolle des Einweisers war sehr wichtig. Er befand sich ständig am Boden in der Nähe der zu fällenden Bäume, lotste den Piloten, machte ihn auf Schwierigkeiten wie Hochspannungsleitungen usw. aufmerksam und beruhigte die Situation, wenn Stress aufkam. Der Einweiser koordinierte das Zusammenspiel von Pilot und Seilkletterer.

Wir bauten die Bäume in mehreren Teilen ab. Zuerst die ausladenden Baumkronen, dann die Stämme. Für jeden Baum waren so im Schnitt ca. vier bis fünf Flüge notwendig. Die abzubauenden Teile des Baumes wurden mit Schwerlastschluffen zunächst an das 40 Meter lange Lastseil des Helikopters angeschlagen, abgetrennt und im gleichen Augenblick vom Helikopter aus dem Gefahrenbereich gebracht.

Das Stahlseil am Helikopter war starr, es gab keine Winde oder ähnliches. Jeder Längenausgleich und die Kraft, mit der, nach dem Anschlagen des Seiles am Baum, zunächst Vorspannung in die Verbindung gebracht wurde, geschah lediglich über den Höhen- oder Sinkflug des Fluggerätes.

Die Baumteile wurden dann zu einer ca. 1,5 Kilometer entfernten Wiese gebracht und dort abgeworfen. Dann kam der Helikopter zurück und flog den nächsten Kletterer an. Das ganze dauerte ca. drei Minuten. In dieser Zeit musste der nächste Kletterer vorbereitet sein. So ergab sich bei drei Kletterern ein Turnus von ca. 15 Minuten bis zum nächsten Anflug. Jeder Kletterer hatte einen Bodenmann, der ihm die Schluffe an das Seil band, um den Baum vorzubereiten. Je nach Aufwand der Bäume versuchten wir unsere Arbeiten so zu organisieren, dass der Helikopter uns abwechselnd anflog, damit keine Leerläufe entstehen konnten.

Die Einsatzstunde für den Helikopter kostete ca. 1200 Euro. Die hohen Kosten erforderten einen absolut reibungslosen Ablauf. Wir konnten uns weder Pausen noch Fehler leisten. Mit jeder kleinen Verzögerung im Ablauf stand auch schon der 1000 PS starke Helikopter „ermahnend“ über uns in der Luft. Nach ersten Unsicherheiten, ob das ausgearbeitete Verfahren funktionieren würde, zeigte sich, dass es sehr gut funktionierte. Es gab an insgesamt vier Einsatztagen nur einmal die Situation, dass der Helikopter für 10 Minuten absetzen musste, weil wir mehr Zeit brauchten.

Der Helikopter konnte je nach geladener Treibstoffmenge und den aktuellen Windverhältnissen ca. 1400 Kilogramm Last aufnehmen. Wir Seilkletterer mussten beim Anschlagen diese Lasten einschätzen. Der Pilot konnte das Gewicht der eingehängten Baumteile über eine eingebaute Waage, ähnlich wie bei einem Autokran, ablesen und informierte uns regelmäßig darüber. So hatten wir die Möglichkeit, uns dem Optimum anzunähern. Wenn wir Lasten falsch beurteilt hätten, wäre es auch für uns zu gefährlichen Situationen gekommen. Der Helikopter hätte die Last nicht halten können und wäre mit ihr „runter“-gegangen. Natürlich hatte der Pilot immer die Möglichkeit, notfalls die Last auszuklinken. Doch dann wäre eingetreten, was der teuere Helikoptereinsatz eigentlich verhindern sollte: stürzende Baumteile schädigen die Anlage oder fallen in den Kocher. Am dritten Tag des Einsatzes kam wegen der schlechter werdenden Witterung Zeitdruck auf. Dann wogen die am Seil angeschlagenen Baumteile schon mal 1399 kg.

Für uns Seilkletterer gab es bei diesem Arbeitsverfahren einige besondere Schwierigkeiten. Der Helikopter stand nur 40 Meter über uns. Dadurch hatten wir mit einem Abwind zu kämpfen („Downwash“ wie die Hubschrauber-Leute das nennen), der sehr massiv war.

Diese Abwinde haben teilweise auch die Blumenkästen an den Hausfassaden aus ihren Verankerungen gerissen. Die Anlieger waren jedoch verständnisvoll, bewirteten uns mit Kaffee und luden uns zum Frühstück ein.

Schwierig war es auch, die Bewegungen und Dynamiken der Baumteile, wenn sie abgetrennt und vom Helikopter abtransportiert wurden, richtig einzuschätzen. Dies erforderte ein gutes Zusammenspiel von Pilot und Seilkletterer. Wenn wir die Dynamiken der Lasten falsch eingeschätzt oder eine falsche Schnitttechnik angewendet hätten und der Pilot nicht richtig reagiert hätte, so wäre es für uns gefährlich geworden. Die Lasten hätten in unser System pendeln oder uns Kletterer treffen können.

Da der Helikopter, um möglichst große Gewichte transportieren zu können, mit maximal 200 Litern Kerosin unterwegs war, musste er jeweils nach ungefähr anderthalb Flugstunden nachtanken. Natürlich sollte jede Minute ausgenutzt werden, und je weniger Treibstoff der Helikopter mit sich führte, desto mehr Last konnte er transportieren. Das bedeutete in der Praxis, dass Udo uns mit noch wenigen Litern Sprit an Bord anflog, wir ihn am Baum anseilten und uns dann aber wirklich mit dem Sägen beeilen mussten.

Übrigens kann so ein Helikopter auch noch ohne Motorkraft notlanden und ist dann sogar noch bedingt steuerungsfähig – hat Udo gesagt.

Pilot, Einweiser und Seilkletterer mussten also gut zusammenspielen, hatten eine Menge – richtiger – Entscheidungen zu treffen, um eine für alle gefahrlose Durchführung zu realisieren. Natürlich waren wir am Ende erfreut und erleichtert, dass alles so reibungslos und gut funktioniert hatte. Es bestätigte uns auch, gut geplant und gut gearbeitet zu haben. Überrascht hat uns Seilkletterer, wie dosiert und mit wie viel Feingefühl Einweiser und Pilot den Helikopter kontrollierten. Schließlich musste Udo da oben auch mit Wind und Wetter kämpfen. Er hatte die schwierige Aufgabe, mit der lotsenden Hilfe von Adalbert die so genannte Glocke, also das Hakensystem, in das wir unsere Schluffe einklinkten, durch den Kronenwirrwarr so zu uns runter zu bringen, dass wir sie als Kletterer schnell erreichen konnten. Was dann an seinem Haken hing, wusste Udo immer erst, wenn wir die Teile abgeschnitten hatten. Kaum zu glauben, aber die Arbeit mit einem viel behäbigeren Autokran ist oft rustikaler.

Information
Was das Projekt für alle Beteiligten so interessant gemacht hat, war, dass hier zwei Profiteams, die üblicherweise nicht zusammenarbeiten, eine anspruchsvolle Aufgabe gemeistert haben. Jedes Team musste sich in die Abläufe und Denkweisen des anderen hineinversetzen, um sicher und effektiv arbeiten zu können. Das gelang, und so war es für die Heli-Jungs und auch für uns spannend und interessant, die jeweils andere Crew bei ihrer Arbeit erleben zu können. Wir alle hatten das glückliche Gefühl einen guten Job gemacht zu haben.

Teilnehmende Firmen:
Walter-Baumpflege aus Pfeddelbach (Generalunternehmer), Helix-Fluggesellschaft, Olaf Florin Baumpflege und ATP Baumpflege (Ausführung der Seilkletterarbeiten)

 

Der Autor: Andreas Piepenburg
Fachagrarwirt Baumpflege/Baumsanierung, Inhaber Fa. ATP Baumpflege

 

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Online blättern im Kletterblatt 2008: "... und ab nach oben!" Nach oben
 

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