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Baumkletterkurse

Willi Freese, Ausbilder der Münchner Baumkletterschule, berichtet über den A- und den B-Kurs in der SKT.

Der A-Kurs in der SKT
Prusikschlinge, Ankerpunkt und Handsäge

In den Jahren meiner Ausbildertätigkeit gab es viele Veränderungen bei den Standards und Inhalten der Ausbildung in der SKT. Ein wesentlicher Schritt hin zu einer professionellen Ausbildung war die Einführung einer theoretischen Prüfung. Damals bestanden vielerorts Zweifel, ob eine theoretische Prüfung überhaupt praktikabel und machbar sei. Reichte doch schon bisher die eine Woche fast nicht aus, um die so wichtige Praxis ausreichend zu trainieren. Außerdem ist Theorie bekanntlich grau und trocken und was zeitlich der Theorie gegeben wurde, musste zum Teil an der Praxis gestrichen werden. Heute wird nicht mehr überlegt, ob und wie theoretische Lerninhalte in einem hauptsächlich praktischen Kurs unterzubringen sind. Untergebracht werden sie selbstverständlich. Und wenn theoretische Themen wie z. B. Fangstoß und Sturzfaktor strukturiert bearbeitet und wirklichkeitsnah vorgebracht werden, gibt es selbst nach einem intensiven Klettertag noch ein reges Interesse für diese Themen.

Vom Waschbärbauch zum Waschbrettbauch
Sind das Versprechungen aus einer Fitness-Werbung oder beschreiben sie die Folgen eines A-Kurses in der SKT? Für den A-Kurs kann ich die positiven Veränderungen bestätigen. Der körperliche Anspruch einer solchen Woche intensiven Baumkletterns ist enorm. Spätestens am Mittwoch spüren viele Teilnehmer Muskeln, deren Existenz ihnen gar nicht bewusst war. Am Ende der Woche kann man das Ganze dann schon wieder entspannter betrachten. Vielleicht auch wegen der Erkenntnis, am Beginn einer Kletter-Karriere zu stehen und dass demnächst so nebenher, bei einer angenehmen Arbeit, das geschieht, wofür andere im Fitness-Studio Geld hinlegen müssen. Außerdem ist die körperliche Belastung bei der SKT wesentlich „gesünder“ auf den ganzen Körper verteilt, als es zum Beispiel im GaLaBau oder in der Forstwirtschaft der Fall ist.

Der Knoten in der Wurfschnur
„Wer gewerblich mit Seiltechniken arbeiten will, muss einfach einige Knoten beherrschen!“ Diese Aussage hören
die Teilnehmer häufig in einer Kurswoche. Denn ohne grundlegende Knoten-Kenntnisse geht in der SKT nichts. Die unterschiedlichen Lern- und Herangehensweisen der einzelnen Teilnehmer, bei ein und demselben Knoten, sind jedoch erstaunlich. Für alle ist es aber eine Herausforderung, die Knoten so zu beherrschen, dass sie während des Bewegungsablaufs auch in Stresssituationen ohne Probleme abgerufen werden können. Dass Knoten nicht nur lebenswichtig sind, wie z. B. der Knoten am Seilende, sondern auch manchen zum Wahnsinn treiben können, das hat schon mancher am eigenen Leib erfahren. Einmal die Wurfleine nicht so behandelt, wie es der Ausbilder erklärt hat, und schon hat man ein Knäuel von Knoten vor sich, mit dem man Stunden kämpfen muss.

Vertrauen in die Ausrüstung – Respekt vor der Handsäge
Schon viele Sportkletterer glaubten, bereits den halben A-Kurs mitzubringen. Aber plötzlich bekommen Kletterer, die 100 Meter Felswände ohne Probleme durchsteigen, eine Vertrauenskrise, wenn sie in „nur“ 10 Meter Höhe freihängend ihre Ausrüstung mit nervösen Blicken betrachten. Was ist da wohl anders? Ich persönlich vertraue meinem Karabiner und meinem Ankerpunkt eher als einer Felsnase. Fakt ist: ohne Materialvertrauen und Einsatz der Ausrüstung ist die SKT nicht möglich. Fakt ist aber auch: bislang hat das noch jeder gelernt! Auch das muss ein Ergebnis des A-Kurses sein. Vertrauen dann alle „blind“ ihrem Material und ihrer Ausrüstung, geht es um die nächste Überzeugungsarbeit: der sichere Einsatz der Handsäge. Der notwendige Respekt vor dem klassischen Baumpfleger-Werkzeug „Handsäge“ ist schnell hergestellt, wenn Kursteilnehmer – im Kletterseil hängend – das Seil bewusst durchtrennen. Das prägt sich ein!

Wer „A“ sagt, sollte auch „B“ wollen!
Natürlich ist ein A-Kurs nicht nur körperlich eine anspruchsvolle Angelegenheit. Aber weniger Kursinhalte würden die Sicherheit beim Klettern reduzieren und geringere Arbeitseffektivität bedeuten. Trotz des großen Arbeitsumfanges einer Kurswoche muss am Ende noch Zeit sein für einen Ausblick: die standardisierten Inhalte eines A-Kurses sind ausreichend, um Groß- und Altbäume bearbeiten zu können. Aber das ist nicht alles. Aufbauend auf dem A-Kurs gibt es noch vieles an innovativen Materialien, Ausrüstungen und Klettertechniken.

Der A-Kurs schafft Anreize und zeigt Perspektiven, dass es immer weiter geht, noch komfortabler werden kann und noch effektiver. Wichtig ist die Motivation zum Weiterklettern. Zum einen, damit der Kurs nicht „umsonst“ war. Denn wird zum Beispiel nach einem A-Kurs ein halbes Jahr nicht weitergeklettert, kann tatsächlich vieles verlernt sein! Und zum anderen, damit die für den B-Kurs notwendige Klettererfahrung gesammelt wird. Denn der erste Motorsägen-Einsatz am Seil wird in der Baumpflege oft eher notwendig als gedacht. Aber ohne B-Kurs kein Motorsägen-Einsatz und ohne Klettererfahrung kein B-Kurs!

Der B-Kurs in der SKT
Aufstieg, Kettenbremse und Blockrolle

Die berufsgenossenschaftliche Anerkennung des Motorsägeneinsatzes am Seil war ein gravierender Einschnitt in der seilunterstützten Baumpflege. Seitdem heißt es am Ende eines B-Kurses: „Ihr müsst nur eine zügige Außenrettung fahren und die Motorsäge souverän am Seil einsetzen. Und Knoten könnt ihr ja ohnehin …“ Die detaillierte Darstellung der Prüfungsziele bereits am Montag wirkt auf einige Teilnehmer vielleicht eher abschreckend, aber mit einer soliden Klettergrundlage als Einstieg in den B-Kurs (siehe unten) ist dieses Ziel bis Freitag nicht nur gut zu erreichen, sondern wir können auch noch eine Menge Spaß während der Woche haben.

Wer „B“ sagt, sollte auch „A“ können!
Als Zulassungsvoraussetzung für den B-Kurs sind 300 Seilstunden nachzuweisen. Hier ist natürlich ein „Schummeln“ nicht immer auszuschließen. Selbst wenn die ehemaligen A-Kurs Teilnehmer definitiv die geforderte Stundenzahl nachweisen können, müssen die Klettererfahrungen und Kletterkompetenzen nicht immer die gleichen sein. Denn unterschiedliche Kletter- und Übungsbedingungen führen auch zu einem unterschiedlichen Kletterniveau. Als Ausbilder erwarten wir am Montag auf dem B-Kurs keine Anwärter auf Klettermeisterschaften, aber wir können auch nicht mehr Prusikeinbau und Hüftschwungtechnik wiederholen! 300 Stunden hin oder her, die vermittelten Ausrüstungs- und Klettertechniken des A-Kurses müssen als Grundlage für den B-Kurs souverän beherrscht werden.

Innovationsmuffel und Ausrüstungsfetischisten
Am Beginn eines B-Kurses treffen sich Teilnehmer, die sich nach ihrem A-Kurs auf ganz unterschiedliche Levels weiterentwickelt haben. Auch die Einstellungen zu Ausrüstung und Anwendungstechniken können ganz unterschiedlich sein. Im Verlauf der Kurswoche ist es natürlich einfach, einem Ausrüstungsfreak die neusten Produkte und Anwendungsmöglichkeiten vorzustellen und sie von ihm testen zu lassen. Schwierig wird es, einen Innovationsmuffel davon zu überzeugen, dass ein Distel-Klemmknoten, wenn er beherrscht wird, komfortabler ist als ein Prusik – ohne überhaupt den LockJack erwähnt zu haben. Innovation ist nicht immer gleichzusetzen mit überflüssigem Schnickschnack, sondern kann höheren Kletterkomfort und somit größere Effizienz bedeuten. Und hier haben wir auch ein Ziel des B-Kurses: zu vermitteln, wo die vorgestellten Ausrüstungs- und Anwendungstricks ihren berechtigten Platz auf der Baustelle haben.

Neue Ansprüche – alte Gewohnheiten und die Motorsäge
Neuen Herausforderungen müssen sich die Teilnehmer schon gleich am Montag stellen. Da wären z. B. die anspruchsvollen Aufstiegstechniken an fixen Seilen. Diese Techniken sind unerlässlich für eine schnelle Kollegenrettung, aber auch für den täglichen Baustellenablauf von großem Vorteil. Es ist schön zu beobachten, wie viele Teilnehmer in nur wenigen Tagen diese für sie neue Herausforderung souverän bewältigen. Weniger schön zu beobachten sind allerdings alte und leider oft gefährliche Gewohnheiten, z.B. im Umgang mit der Motorsäge: dass es eine Kettenbremse gibt, ist für manche Teilnehmer neu. Das ist häufig das Ergebnis von fahrlässiger innerbetrieblicher „Weiterbildung“. Mit einer qualifizierten Fortbildung hat dies nichts zu tun. Wie auf der Baustelle, so ist auch auf dem B-Kurs beim Einsatz einfacher RiggingTechniken (Seilablass-Techniken) die Teamarbeit unerlässlich. „Und wehe, das Bodenpersonal sieht nicht, wenn der Kletterer die Blockrolle falsch einbaut …“

B-Kurs und was dann?
Eine der Prüfungsziele des B-Kurses beinhaltet den Einsatz der Motorsäge am Seil in Zusammenhang mit einem einfachen Rigging-System. Dieses Ziel ist mit einer professionellen Ausbildung in der Regel auch einfach zu erreichen. Doch trotz des souverän erreichten Prüfungszieles werden die B-Kurs Absolventen früher oder später mit viel größeren Herausforderungen in Bezug auf Motorsägeneinsatz und Rigging konfrontiert. Damit für diese Anforderungen nicht aufwendig und zeitintensiv das Rad neu erfunden werden muss, macht es Sinn, einen speziellen Rigging-Kurs zu besuchen. Dort bekommen erfahrene B-Kurs Absolventen Lösungen für komplexe Rigging-Herausforderungen und schwere Motorsägeneinsätze gezeigt. Nach dem B-Kurs fängt sozusagen die Freiheit wieder an, nämlich die Kletterkurse zu besuchen, die man machen möchte, ohne Druck und ohne Vorschrift: freiwillig und hoch motiviert. Sehen wir uns?

Der Autor: Willi Freese
Ausbilder der Münchner Baumkletterschule, zertifizierter Höhenarbeiter und -retter, Inhaber der Firmen Erlebnis-Baum und „GRIP“ – seilunterstützte Arbeitstechniken

 
Online blättern im Kletterblatt 2006: "Baumkletterkurse" Nach oben
 

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