Alles am Gurt oder was muss mit in den Baum?

Als Profi weiß Dirk Lingens natürlich, dass es die Standardausrüstung zum Arbeiten im Baum für jeden Tag nicht gibt. Was an Equipment am Gurt hängt, das entscheidet jeder für sich selbst. Gerade deshalb wollte Lingens einmal wissen, was seine Baumkletterkollegen beim normalen Klettereinsatz am Gurt tragen. Er hat nachgefragt und dabei sehr unterschiedliche, aber interessante Gurtkonzepte kennengelernt.

„Zeige mir deinen Gurt mit seinen Utensilien und ich sage dir, was für ein (Kletter-)Typ du bist. Das ist wohl etwas übertrieben. Aber da es die immer richtige Standardausrüstung für alle Fälle nicht gibt, kann der Alltagsklettergurt doch etwas über den Kletterer aussagen. Jeder Kletterer hat eine individuelle Vorstellung davon, mit welcher Grundausrüstung er in den Baum steigt. Deshalb ist es interessant und lehrreich, was andere so am Gurt haben, oder eben auch nicht. Daher habe ich Vertreter anderer Kletterschulen gebeten, ihre Gurte vorzustellen. Dabei geht es weder um ein „richtig“ oder „falsch“, noch um ein „besser“ oder „schlechter“. Die Vorstellung soll anregen, über die eigenen Konzepte nachzudenken und sich die eine oder andere Idee abzugucken.“ (Dirk Lingens)

Alles am Gurt: Holger Schardt (fsb Oerrel)
„Mein Gurt ist ein Petzl Sequoia SRT, den ich um einige interessante Dinge erweitert habe. Am Gurt sind immer zwei Kurzsicherungen, und da ich beim GUV versichert bin, habe ich auch bei reinem Handsägeneinsatz immer mindestens eine Flex Fly dabei. Das ist sicher viel Material, ich möchte aber nichts missen. Und müsste ich mal gerettet werden, findet mein Retter genug Material vor, um viele Situationen zu meistern.“

Detaillierte Auflistung:
• 6 mm Reepschnur: zum Hintersichern des Abseilachters/Tuber (1)
• DMM Abseilachter mit Expressschlinge verlängert: um das Einlaufen der Hintersicherung in das Abseilgerät zu verhindern (2)
• Black Diamond Tuber, ebenfalls mit Exe: hier, damit der Tuber nicht die Hintersicherung schieben kann (3)
• DMM Buddy: eine Allzweckwaffe (Treppenaufstieg, Hintersicherung Achter/Tube und sehr interessant, da als Backup am Aufstiegsseil nutzbar in Zusammenhang mit Kletterseilanlage – Stichwort: stammnahes Arbeiten, dicke Stämme, Efeu (4)
• Kong Futura rechts mit DMM Revolver Schnapper: Überstieg mit Wurfhaken oder bei Aufstiegen mit Petzl I’D; kleiner Flaggenschäkel, den ich mit Dyneemawurfschnur an der Klemme befestigt habe, dient dazu eine Trittschlinge einzuhängen (5)
• Halsgummi: für den Überhandaufstieg; kleiner Schlüsselring im Nacken dient als Sollbruchstelle, um sich nicht daran aufzuhängen (6)
• Flaggenschäkel mit 3 mm Reepschnur für div. Anwendungen: Abziehvorrichtung, Climb in a Loop etc. (7)
• 250 g Wurfbeutel (8)
• div. Karabiner: div. Anwendungen (9)
• Aufstiegsset linkes Bein: Petzl Basic, versteifte 30 cm Schlinge, Schnapper zum Einhängen in Schuh- oder Steigeisenriemen, Gummiband verbunden mit Materialschlaufe am Gurt (10)
• CT Fußsteigklemme (11)
• DMM Pinto: div Anwendungen (12)
• ART SnakeTail: Umlenkung mit Pinto, 2.Schoner bei KS Anlage aus Seilende, gewürgter Ankerpunkt bei Hansesicherung, Footlockrunner in Verbindung mit 8 mm Ice Tail Blue etc. (13)
• Teufelberger multiSLING 1,3 m: Anschlagpunkt, Blakeknot-Strop (14)
• Teufelberger ringLOOP 35 + 43cm: Anschlagpunkt, Personenrettung, Inlineanker (15)
• Edelrid Bandschlinge 80 cm (16)
• Ice Tail Blue Prusikschlinge: Footlockrunner mit SnakeTail, Klemmknoten für alle Fälle etc. (17)
• kleine Fiskarssäge: sehr praktisch zum Seile trennen bei der Rettung (man zeigt nur so viel Zähne, wie man tatsächlich braucht – kompaktes Tool) (18)
• Erste Hilfe Pack und Leatherman (19)

Alles am Gurt: Thoren Benk (Benk Baumkletterschule)
„Grundsätzlich bestücke ich meinen Gurt gerne minimalistisch. Mir gefällt es, möglichst leicht unterwegs zu sein. Deshalb verbanne ich Material vom Gurt, wenn ich es ein paar Tage nicht gebraucht habe. Wichtig ist natürlich, trotzdem die verschiedenen Rettungssituationen mit Bordmitteln zu üben und im Griff zu haben. Nicht auf dem Bild sind Handsäge und ein kleines Verbandspäckchen – habe ich beides immer am Gurt.“

Detaillierte Auflistung:
• Footlockschlinge: neben der Sicherung beim Aufstieg sehr vielseitig z. B. als Umlenkung
oder Brustgurt
• Bungeetool: für hohe Aufstiege und längere oder unbequeme Zwischenaufstiege
• multiSLING: wie der Name schon sagt, für (fast) alles zu gebrauchen z. B. als Umlenkung, Klemmknoten, in Verbindung mit Karabiner als Kambiumschoner
• CELanyard 3 m: durch Pinto und zusätzliche Klemmknotenschlinge ist dies die meiner Meinung nach vielseitigste Kurzsicherung; die nächste wird allerdings länger
• Alu Ring: in Kombination mit einem Karabiner zur Reibungserzeugung statt Abseilachter
• 2 Oval-Karabiner: durch die symmetrische Form für die häufigsten Situationen passend,
sehr viele Kombinationsmöglichkeiten mit den anderen Ausrüstungsteilen

Alles am Gurt: Dirk Lingens (Münchner Baumkletterschule)
„Mein Gurt ist ein TreeMotion. Links ist die Haltesicherung und evtl. die Motorsäge in einem großen Caritool. Rechts befindet sich bei mir die Handsäge und ein kleiner Caritool für Material. Zudem trage ich einen Brustgurt mit Telefontasche, in der sich auch ein kleines, an der arretierbaren Klinge festgebundenes Rettungsmesser befindet. Eine Warnpfeife liegt mir sprichwörtlich am Herzen.“

Detaillierte Auflistung:
• freier HMS-Karabiner: brauche ich immer
• 2,2 m 8 mm weiche Reepschnur mittels Doppeltem Gording zur Rundschlinge gebunden: als Ersatzprusik, für Umlenkungen, Klettern mit dem Seilende usw.
• 60 cm Bandschlinge: Rettungsverbindung
• Materialkarabiner
• kleine Hilfskarabiner: für mind. 25 verschiedene Anwendungen
• ca. 60 cm stabile Wurfleine zum Verbinden von Seilen, die getauscht werden sollen und dabei durch Rollen gefädelt werden müssen
• Haltesicherung (links am Gurt): 6 m 9,8 mm Dynamikseil mit Mastwurf, dessen loses Ende angelascht ist, so dass sich ein ca. 10 cm langes versteiftes Ende bildet, kleinem Karabiner als Auslaufsicherung, Cinch als Verstelleinrichtung, sehr griffiger Karabiner
• kleiner Beutel mit: Footlockschlinge (auch als Klemmen-Aufsteiger immer dabei für Aufstiege, Umlenkungen, Zwischensicherungen usw.), Schutzbrille, Verbandsklebeband, als kleine Werkzeugtasche nutzbar

Bei Fällungen kommen dann noch dazu:
• 5 m 8 mm Reepschnur (kleine Äste anbinden, Umlenkungen, Trittschlinge, Spinnenbein usw.)
• eine kleine Rigging-Acht (Einbremsen von pendelnden Lasten, kleine Lasten von oben riggen, Umlenkungen)

Nicht im Bild:
• Ersatzkirsche mit längerer Schnur, um sie auch auf „nackte“ Seilenden machen zu können

Nicht dabei habe ich:
• PSA-Abseilachter (Ersatz: freier HMS-Karabiner)
• Verbandspäckchen (Ersatz: Verbandsklebeband)
• Knotenbuch

Alles am Gurt: Jan von Hoffmann (Tree Top)
„Die diversen Utensilien an meinem Gurt benutze ich fast täglich. Es kommt auch immer wieder mehr dazu. Doch irgendwann spüre ich, dass der Gurt zu schwer wird – ein deutliches Zeichen, mal wieder abzuspecken. Am TreeMotion-Gurt sind Verbandspäckchen, Säge und Kurzsicherung.“

Detaillierte Auflistung:
• Klemmknotenseil mit Sicherheitskarabiner (SK): zum Traversieren oder zum Bau eines zweiten Systems mit dem Seilende
• 120 cm Bandschlinge mit SK: Trittschlinge, Ankerpunkt für zweites System oder Umlenkung
• Mini Traxion mit SK: für Überstiege (Wurfhaken)
• 2 Rollen mit SK: für ein zweites System, eine Umlenkung oder um kleine Äste mit dem Seilende abzuseilen
• 2 Schnappkarabiner: für die Fußsteigklemme (damit das Seil nicht rausflutscht) oder für alles Mögliche
• Klappmesser und Rolle Isolierklebeband für Kronensicherungen
• Wurfhaken mit SK: Überstiege (nicht in der Ausbildung)
• 2 Caritool-Karabiner: Transport von Kletterei im Aufstieg, Material oder Werkzeug
• JUL Abseilgerät mit SK: statt Abseilachter

Alles am Gurt: Bernhard Schütte (Münchner Baumkletterschule)
„Als Dirk mich angerufen und gefragt hat, ob ich etwas zum Artikel beisteuern möchte und welche Standardausrüstung ich am Gurt trage, hab ich mir gedacht, dass ich das auch schnell am Telefon aufzählen kann. Ich zähle mich einerseits zu den Minimalisten und andererseits auch zu denen, die immer nur dabei haben, was sie tatsächlich brauchen. Darum ist mein Gurt in der Standardversion vergleichsweise sparsam bestückt und wird bei Bedarf aufgerüstet. Die linke Seite ist meine „Arbeitsseite“, die rechte meine „Rettungsseite“. Das stimmt zwar nicht absolut, jedoch in der Tendenz. Wer diesen Ausrüstungsstandard kopiert, fälscht oder nachmacht, wird schon sehen, was er davon hat. Wahrscheinlich fehlt dauernd irgendetwas …“

Detaillierte Auflistung:
• großer Caritool-Karabiner als Kurzzeit-Parkplatz für alle möglichen Materialien z.B. beim Bau einer Umlenkung oder eines Riggingsystems; wenn die Motorsäge links eingesetzt wird, hängt sie auch dort
• PSA-Karabiner mit Doppelrolle in erster Linie für kraftsparende, weil reibungsarme Umlenkungen
• PSA-Karabiner für vielfältige Anwendungen, z. B. für den Bau eines Blake-Systems mit dem Seilende; irgendwo fehlt doch immer ein Karabiner
• PSA-Karabiner mit 120 cm-Bandschlinge zum Bau von Umlenkungen, mit der Abseilacht auch als improvisierter Kambiumschoner, eventuell als Brustgurt und zum Anbinden von Ästen, die mit der Handsäge geschnitten und von einer Hand nicht gehalten werden können; ja, ich weiß – Trennung von Rigging und PSA, aber diese Regel soll die PSA vor dem Überschreiten der Nutzlast schützen; wenn ich den Ast dann doch aus der Bandschlinge heben und mit den Händen gezielt abwerfen kann, war der Fangstoß nach dem Absägen ganz sicher unter 2,2 kN
• PSA-Karabiner und Klemmknotenmaterial von 120 cm Länge z. B. für den Bau eines zweiten Systems am Seilende, als Umlenkankerpunkt oder zum Abseilen am Aufstiegsseil mit der Acht
• PSA-Karabiner und Abseilacht verwende ich (Überraschung!) zum Abseilen am Aufstiegsseil oder beim Retten mit zwei Personen an einem Klemmknotensystem
• Expressschlinge mit zwei PSA-Karabinern an sich nur für die Verbindung bei der Rettung am Gurt, beide Karabiner sind natürlich auch eine Reserve für andere Notsituationen
• kleiner Motorsägenhaken aus Aluminium für die Aufnahme der Motorsäge, die bei mir standardmäßig rechts hängt; ohne Motorsäge ist er analog zum Caritool ein Kurzzeit-Parkplatz. Der Caritool nervt ein wenig, weil er so groß ist; der Motorsägenhaken nervt, weil der schräge Schnapper in jeder meiner Aufwärtsbewegungen gierig auf Zweige und Äste lauert; ich forsche an einer Magnetplatte, die Aluminium, Seile und Bandschlingen festhalten kann; da bin ich aber noch nicht besonders weit und es ist außerdem sehr geheim!
• Halteseil fehlt in der Aufzählung; selbstverständlich habe ich immer eines dabei, aber weil ich dort, wie auch beim Klettersystem, immer mal tausche, habe ich keinen Standard definiert
• wenn Tim Schröder mit der Produktion des Approach in die Pötte gekommen ist, gehört
der Wurfhaken zum Standard, logisch!

Alles am Gurt: Marc Riechmann (Die Baumgenossen)
„Da ich fast alles mit SRT mache, brauche ich keine Doppelrolle o. Ä. Ansonsten haben wir für die Rettung kleine Schilder von Treestuff (wasserdicht) auf dem Helm, mit Namen, Firma und evt. Allergien und Krankheiten (zwei Mitarbeiter haben eine Wespenallergie).“

Detaillierte Auflistung:
• Achter mit Karabiner
• Pinto
• 4 m Softheat mit Zillon als Kurzsicherung
• Loopisling (aus 9 mm Tenex gelb) mit Schraubkarabiner und Abziehkarabiner: als PSA-Umlenkung und zum Ablassen leichter Lasten usw.
• Kambiumschoner: Umlenkungen
• Chalkbag: für das Bungeetool mit Bruststeigklemme oder für Handschuhe
• evt. Wurfhaken oder Säckchen